Blumen Für Sein Grab
beiden Pfosten erreichte, einer mit Steinananas und einer ohne, platschten ihr die ersten dicken Regentropfen ins Gesicht.
Entweder der Regen oder Merediths eigenes mürrisches Verhalten von vorhin hatten die Reporter vorläufig vertrieben, daher konnte sie nicht fragen, ob sie einen Spitzel auf dem Hügel abgestellt hatten. Sie fragte sich, während sie ins Haus rannte, ob Rachel oben noch wach war. Die Antwort kam sogleich. Aus dem hinteren Teil des Hauses, dort, wo die Orangerie angebaut war, ertönte ein schrilles Kreischen, gefolgt von unterdrückten Schreien:
»Geh weg! Geh weg!«
»Rachel!« Merediths Herz schlug bis zum Hals, als sie durch das Haus rannte und in die Orangerie platzte. Die Tür zum Garten stand weit offen. Rachel kauerte in der Mitte der gläsernen Halle, die Hände schützend über den Kopf geschlagen. Rings um sie flatterten die Kanarienvögel, die ihrem Drahtgefängnis entkommen waren und ihre neue Freiheit genossen. Sie schwärmten und flatterten und zwitscherten aufgeregt. Einer kam sogar herab und landete auf Rachels Nacken, während sie sich noch tiefer zusammenduckte.
»Nimm dieses Viehzeug von mir!«, kreischte sie unter den schützenden Armen hervor.
»Sie können dir nichts tun, Rachel!« Meredith packte sie verärgert an der Schulter und zog sie hoch.
»Um Himmels willen, Rachel, das sind nur kleine Vögel und keine Geier! Wie sind sie überhaupt herausgekommen? Und ich dachte, du würdest schlafen!«
»Ich hasse sie! Ich hasse sie!« Rachel schlug wild nach einem kreisenden Kanarienvogel.
»Ich bin aufgewacht und nach unten gegangen, weil Stauntons alberne Pillen nicht gewirkt haben. Ich hab nur versucht, diese elenden Vögel zu füttern! Nevil ist heute Morgen nicht vorbeigekommen, um es zu machen. Ich schätze, weil die Polizei hier gewesen ist und überall herumgeschnüffelt hat. Also hab ich mir ein paar Körner genommen, die Tür geöffnet und mir ein Herz gefasst, um reinzugehen, und wusch! Die undankbaren Bestien sind alle direkt an mir vorbei nach draußen gerauscht! Wie um alles in der Welt sollen wir sie wieder in ihre Voliere kriegen?«
»Ich weiß es nicht. Aber wir können sie alle in der Orangerie lassen und fangen einen nach dem anderen wieder ein. Wir stellen Körner in der Voliere auf. Sie werden hungrig sein und fliegen dann von alleine wieder hinein.«
»Sie können von mir aus alle verhungern! Ich werde bestimmt nicht mehr in ihre Nähe gehen! Ich rufe morgen beim Vogelzüchterverband an und bitte sie, diese Biester allesamt abzuholen! Sie können sie geschenkt haben!« In diesem Augenblick klapperte die Tür zum Garten, und Meredith ruckte rechtzeitig herum, um zu sehen, wie die Tür geöffnet wurde und Martin im Durchgang stand.
»Passen Sie auf!«, rief sie.
»Die Vögel sind ausgebrochen!« Ein paar der Kanarien flatterten bereits auf Martin zu, angezogen von dem Schwall frischer Luft, der hinter ihm hereinwehte. Martin hob automatisch die Arme, um sein Gesicht zu schützen, doch glücklicherweise besaß er genügend Geistesgegenwart, um ganz einzutreten und die Tür hinter sich zuzuziehen.
»Wer hat die Vögel herausgelassen?«, fragte er ernst.
»Ich habe durch das Glas gesehen, wie die Tierchen überall umherflattern!«
»Ich habe sie nicht rausgelassen!«, brüllte Rachel ihn an.
»Sie sind ausgebrochen!« Der Gärtner hob beruhigend die Hände.
»Schon gut. Ich werde mich darum kümmern, Madame. Hören Sie, Madame?« Rachel presste die Hände auf die Ohren.
»Gehen Sie zurück ins Haus, ich fange sie irgendwie wieder ein.«
»Machen Sie das!« Rachel rannte durch die Tür ins Wohnzimmer.
»Mademoiselle?« Martin sah Meredith an, die reglos dagestanden und den Gärtner angestarrt hatte.
»Sie können ebenfalls gehen. Ich kümmere mich um das hier.«
»Was? Oh, ja, ja …« Meredith folgte Rachel langsam nach draußen. Irgendetwas war soeben geschehen. Irgendetwas, das eine vergessene Saite in ihrem Gedächtnis zum Schwingen gebracht hatte, doch der Anstoß war nicht stark genug gewesen. Irgendetwas, aber was?
KAPITEL 20
Als Markby am folgenden Morgen den Frühstücksraum des Hotels betrat, hörte er seinen Namen rufen.
»Chief Inspector! Da ist Post für Sie gekommen!« Markby wandte sich um. Troughton eilte herbei, aufgeregt schwitzend, das dünne Haar zerzaust und dicke Ringe unter den Augen, und übergab Markby einen wattierten Umschlag.
»Alles in Ordnung?«, fragte Markby besorgt. Troughtons Stupsnase zuckte, und in
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