Blumenfresser
seine Finger vorsichtig tiefer und berührten den Schoß. Er schüttelte den Kopf, als würde ihm etwas ganz und gar nicht gefallen.
Am Abend werde ich dich dringend brauchen, Masa!, hörte er Gilagóg abermals vom anderen Ende der Stadt.
Masa schnitt ein verzweifeltes Gesicht. Durch den Körper der Frau ging ein Zittern, und er sah, dass sie aufgehört hatte zu atmen, sie war bereits am Ersticken. Ratlos blinzelte er im Kreis, nun bemerkte er, dass Wurzelmama mit den Herren Blatt und Wurm immer noch am Rande der Lichtung wartete. Mama fächelte sich gemächlich Luft zu, Blatt ließ gerade einen Falter auf seiner weiß behandschuhten Hand landen und spielte mit ihm, während Wurm vertieft an der Rinde einer Birke kratzte, und wenn er eine Raupe oder einen Käfer fand, schwupp, verschlang er ihn.
Masa hatte einen Einfall, er eilte zu Wurzelmama, verneigte sich artig, die zauberhafte Dame möge ihm nicht übelnehmen, was er sogleich tun werde, mit diesen Worten griff er in ihr dichtes, geflochtenes Haar, nestelte einige Momente, um dann ein dickes Haar um den Finger zu wickeln und auszureißen. Wurzelmama sog die Luft durch die Zähne, widersetzte sich jedoch nicht. Von Blatt bekam Masa einen winzigen Trieb, und als Wurm an der Reihe war, blickte er nur verdrießlich, nein, er gebe wirklich nichts, er habe nichts zu verschenken. Masa riss ein grünes Gewächs aus, starrte Wurm eine Weile nur insGesicht, um ihm dann mit den Brennnesseln, denn um solche handelte es sich, kräftig eins aufs Ohr zu geben. Wurm brüllte auf, worauf Masa ihn am Schädel packte, ihm in den aufgerissenen Mund griff und unter der Zunge eine zappelnde Raupe herauspulte. Wirklich eine schöne Bewegung, Wurzelmama und Blatt nickten anerkennend. Herr Wurm stampfte noch wütend mit dem Fuß und stieß Drohungen aus, doch das interessierte den Zigeuner nicht mehr.
Masa ließ sich neben der Frau nieder, er bog aus dem kleinen Spross von Herrn Blatt geschickt eine Art Haken, an den er das Haar band, er steckte die Raupe darauf und zwängte der Frau, das Haarende im Mund, die Lippen auseinander, dann ließ er den Köder den Hals hinunter. Die Raupe wand sich irgendwo im Leib der Sterbenden, runzelte sich auf ihrem kaum noch schlagenden Herzen. Masa wusste, dass man jetzt nur noch warten musste.
Masa, am Abend werde ich dich brauchen!, sprach Gilagóg erneut aus der Ferne zu ihm.
Er schüttelte sorgenvoll den Kopf, als würde er sagen, ist ja gut, das weiß ich, nur muss ich diese Sache erst zu Ende bringen.
Der dumme Zigeuner glaubt, dass er den Tod aus der armen Frau herausfischen kann, kicherte Wurm, worauf Blatt die Arme ausbreitete, würde er nicht an so etwas glauben, lieber Freund, dann würde diese anmutige, schöne Frau, die im übrigen eine liebe Bekannte von uns allen ist, gar nicht mehr leben! Sieh mal, Wurm, deutete er in Richtung der Frau. Auch Wurzelmama schob sich näher heran, denn das Haar hatte geruckt, doch nur ein klein wenig, vielleicht war es gar kein Ruck, vielleicht war nur das wirr schlagende Herz erzittert. Dann warteten und luchsten sie vergeblich, lange geschah gar nichts. Wurm winkte schadenfroh ab, und als ob dies das Zeichen gewesen wäre, musste Masa einem heftigen Ruck standhalten, sein Hals begann zu schmerzen. Dann allerdings regte sich das Haar bis zur Dämmerung überhaupt nicht mehr. Vielleicht ruhte sich die Raupe aus, hattesich in dem kaum hauchenden Leib versteckt, sie hatte sich in ihm umgesehen und ihn durchforscht, und jetzt interessierte sie nicht mehr, wie das Herz schmeckte, wie die Zotten der Lunge den Brustkorb auswattierten, wie das traurige Blut zirkulierte. Sowie die Sonne hinter den Bäumen herabgesunken war, spürte Masa, dass er allein geblieben war, seine Gefährten waren verschwunden, sie hatten ihn verlassen, waren fortgegangen wie der Wind.
Masa beeil dich, wir sind in Gefahr!, hörte er Gilagóg erneut.
In diesem Moment ging ein solcher Ruck durch das Haar, dass Masas Kopf beinahe gegen das Gesicht der Frau gestoßen wäre. Nur mit Mühe gelang es ihm, sich wieder aufzurichten. Noch nie hatte er eine solche Kraft verspürt, dabei hatte er schon mal einen meterlangen Wels mit dem Mund gefangen, auch einen Karpfen, der so groß war, dass der ganze Stamm davon satt wurde. Die Frau schluckste auf, als wollte sie ersticken, ihre Augen öffneten sich weit, vielleicht starrte sie Masa an, ihr Atem beschleunigte sich, sie seufzte, stöhnte. In ihrem Körper kämpfte etwas mit fürchterlicher
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