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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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Gilagóg oft von Menschen gehört, die von diesen Biestern heimgesucht worden waren. Im Basar von Sarajevo hatte man ihm einen Zigeuner gezeigt, der an von Goldwürmern verursachter Blindheit litt, der Mann aß tagelang nichts, und von Zeit zu Zeit brach ersticktes Gebrüll aus seiner Kehle. Als Kind war Gilagóg häufig von Schreien aufgewacht, die in der Nähe ihres Lagers aufbrodelten, und vor solchen Lauten wichen auch die Hunde zurück. Funkensprühend knisterte das Feuer, die Schnarcher verstummten, Gilagógs Mutter hielt ihm den Mund zu, damit er nicht antwortete. Es genügte, den Locklauten eines Goldkäfers zu antworten, und schon war man infiziert! Gilagóg lernte, dass der menschliche Körper voll von allen möglichen Metallen und Kalk, von Eisen und von Reichtümern war und dass die Goldwürmer das im Organismus verborgene Gold einsammelten und in die Augenflüssigkeit trugen. In den ersten Tagen glänzt die Welt in blendendem Licht. Wohin wir auch blicken, sogar aus modrigen Brunnen und aus der Tiefe von Höhlen strahlt uns goldenes Licht entgegen. Gold färbt das schwankende Laub der Bäume, goldfarbene Felder und Wege erstrecken sich vor unseren Füßen, der Mond wird zu Gold, und in Gold baden wir, wenn wir durch Flusswasser waten, Gold essen und trinken wir, und auch unsere Träume werden zu Gold. Zu Gold werden auch Frauen und Männer, zu Gold wird auch die Liebe, wenn uns die Goldwürmer infizieren! Das Glänzen wandelt sich indes allmählich zu einem weißen Flackern. Die Dinge der Welt sind nur in dunklen Umrissen zu erkennen, biswir schließlich blind nach ihnen tappen. Die Goldwürmer verursachen Blindheit, sie vernichten uns! Eines Tages, wenn das Licht bereits so unerträglich glänzt, dass man das Leiden nicht mehr ertragen kann, nimmt man alle Kraft zusammen und stößt einen schauerlichen Schrei aus, und im nächsten Moment lebt man nicht mehr. Jedoch ist dieser Tod anders, als wenn unser Herz stehenbleibt, uns die Kehle durchgeschnitten wird, es ist kein Tod, wie er sich, wenn wir schlafen, auf unsere Brust legt und uns das Licht des Lebens aus den Augen leckt. Wer durch Goldwürmer zugrunde geht, wird zum Wehgeschrei, und dieses Geschrei hallt manchmal bis in die Berge Bosniens hinauf oder ist entlang der windungsreichen Theiß oder in den Tälern Siebenbürgens zu hören.
    Der Woiwode sog die Luft durch die Zähne, der Doktor rieb die Wundgegend mit einer stechenden Flüssigkeit ein. Leises Prasseln und Klickern und Laute, die an das Knistern eines im Wasser versinkenden glühenden Astes erinnerten, verrieten, dass die Goldwürmer verendeten. Der Goldzahnige hat mich infiziert, dachte er. Dann könnte auch sein Wehgeschrei in der Umgebung verborgen sein. Man musste die Menschen warnen! Sie durften auf keinen fremden Wehlaut antworten, durften gar nicht auf ihn hören! Der Doktor nähte mit einigen schnellen Stichen die Bisswunden zusammen, um dann die übrigen Narben zu betrachten, die den Körper des Woiwoden bedeckten, schön, schön , nickte er, das ist aber schön. Er bemerkte Barka, die am Fuß eines schief gewachsenen Baums kauerte, sie schwankte vor und zurück, als sei sie betrunken. Sie wiegte ihre Zwillinge, die in ihrem gewaltigen Bauch darauf warteten, die Welt zu erobern. Der Doktor winkte sie zu sich, sie ließ das Schaukeln sein und kniff die Augen feindselig zusammen, schließlich spuckte sie aus, packte einen spitzen Ast und stieß damit in seine Richtung. Der Woiwode knurrte wütend, er zischte etwas, worauf Barka sich unter unwilligen Grimassen aufrappelte und ihren großen Bauch zum Doktor manövrierte. Der legte sein Ohr an die gewaltige Rundung.
    Mein Gott , sagte er dann leise. Der Woiwode winkte, was ist, was hört der Heiler, wovon er nichts weiß?! Der Doktor sah starr ins braune Gesicht des Zigeuners, lächelte, nix, nix , und er bedeutete mit den Fingern, dass sich in Barkas Bauch zwei befänden.
    Das Mädchen zeigte dem Woiwoden die Zähne. Gilagóg hatte genug von ihrem ungehörigen Betragen, am Ende würde sie den Doktor noch beißen. Seine Arme schnellten vor, er packte Barkas Gesicht mit beiden Händen, hielt ihren Kopf, ohne Anstrengung, mit geöffneten Handtellern. Durch den Verband auf seiner Brust sickerte Blut. Auf Barkas verzerrtem Antlitz glättete sich der Hass, sie lächelte wieder, als hätte man ihr Marmelade auf den Bauch geträufelt. Diesen Trick hatte der Woiwode irgendwo in den wogenden Tälern rund um die Stadt Jajce gelernt. Barka wird

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