Blumenfresser
zischte er, ich bin fortgegangen, das ist wahr. Ich habe dich nicht geschützt, das ist wahr. Was könnte ich sonst noch sagen?! Was?, brüllte er.
Sag gar nichts, lass doch jetzt das Spielen!, flüsterte Klara schluchzend.
Imre sah nur vor sich hin.
Nicht wahr, du hast gedacht, dass ich nie mehr nach Hause komme.
Klara bejahte mit den Augen.
Du hast gedacht, ich sterbe dort.
Wieder bejahte Klara nur mit den Augen.
Nicht wahr … du hast auch gedacht oder besser gesagt, du wolltest gar nicht, dass ich zurückkomme.
Klara sah ihn nur an.
Gut, sagte Imre, nüchtern geworden, ich, ich liebe dich. Was geschehen ist, ist geschehen, ich glaube, es gibt kein Verzeihen. Wir haben ihn verloren, sein Blick fiel auf die Daguerreotypie, die auf dem Schrank stand, in einem kleinen Silberrahmen, Herr Schütz hatte sie geschickt oder gebracht, woher sollte Imre das wissen. Auf dem Bild mochte das Kind zwei Jahre alt sein, und er, der Vater, war bereits im Gefängnis. Das Bürschchen stand im Nachthemd da, auf seinen dicken Beinen, in der Hand einen bunten Holzhusaren, und lächelte unbeschwert.
Das andere Bild zeigte Somnakaj und Klara, das Zigeunermädchen hielt den Kleinen im Arm und lächelte mit blitzenden Zähnen. Aus Klaras Blick schäumte Zorn, doch sie hielt sich dieFäuste vor die Brust, als wollte sie sich vor einem Angriff schützen. Das galt offenbar ihm, diese ängstliche Wut. Imre betrachtete die Bilder, er bekam eine Erektion.
Wenn ich es doch sage, es ist gut, wir können es nicht mehr ändern, nickte er. Morgen bringst du mich zum Grab von dem Kleinen, wir gehen auf den Friedhof. Ja?
Ja, flüsterte Klara, dann hob sie schaudernd den Kopf.
Was machst du?! Sag, was machst du?!
Ich kultiviere das Nichts, meine Liebe!
Klara weinte.
Hast du etwa nicht gewusst, dass ich der Gärtner des Nichts bin?!
Und er riss ihr die Kleider herunter, langsam und grob, er wollte ihr Schmerzen zufügen, vielleicht verletzte er sie auch, dann stieß er sie aufs Bett.
Ich will dich vögeln, er beugte sich über sie, doch seine Bewegungen erstarrten, verzeih mir, flüsterte er, ich glaube, das wäre jetzt für uns beide nicht gut.
Das Finden der Mimose
Er schloss die Augen. Es hörte sich an, als würde er mit den Fingern die Erde um einen Setzling herum festklopfen. Dabei wurde ein Mensch geschlagen. Doch die Stöcke trafen nicht auf Fleisch, sondern auf den knochigen kleinen Körper eines jungen Mädchens. Es war der Sommer 41, Ende Juli. Das Mädchen war eine Hure, am Ende hatte man sie aus dem Schmutz der Pontonier-Scheune gefischt, sogar auf dem Hauptplatz hatte sie sich angeboten. Ihre Bestrafung war exemplarisch. Damals, zu Beginn der vierziger Jahre wurden noch öffentliche Prügelstrafen exerziert, Imre übergab sich fast, so zornig war er. Das Mädchen weinte nicht, es erduldete die Schläge ohne einen Laut. Da bemerkte er Klara unter den Schaulustigen. Er kannte ihren Namen nicht, sah aber, dass sie sich bei Pelsőczy eingehängthatte, also war sie vermutlich seine Tochter. Pelsőczy war wieder betrunken, das war seinem glasigen Blick anzumerken. Klaras vor Wut gerötetes Gesicht sah gespenstisch dem der Hure ähnlich, und Imre dachte, dass sie nicht über die Züchtiger oder die Schaulustigen erzürnt war, sondern über die Hure, weil sie sich in eine so erbärmliche Lage gebracht hatte. Am nächsten Tag brach ein Sturm über die Stadt herein, er entwurzelte Bäume, ramponierte Dächer und zerrte, als wollte er den Verursacher allen Übels bestrafen, so lange an der Pontonier-Scheune, bis sie mit einem großen Seufzer in sich zusammenfiel. Einige Dirnen und Diebe kamen um, die Liederlichen haben es sich selbst zuzuschreiben! Später wurde an der Stelle der Scheune eine Bierhalle errichtet, mit Geschäften und verglasten Tanzsälen, Imre ging mit Klara oft in dem Park spazieren, den man vor dem Biergarten angelegt hatte, und dann auch nicht nur in den Lauben, sondern auch auf der von Sonnenschirmen bunten Promenade, und wenn Klara von etwas Unangenehmem redete, erinnerte sie ihn immer an das gezüchtigte Mädchen.
Fasching fand am Tag der heiligen Susanna statt, wieder erwachte die Stadt an einem stürmischen Morgen, Bäume stürzten auf den Damm, die dahinjagenden Wellen der Theiß schlugen Kähne gegeneinander, beleidigt knarrte der ganze Hafen. Im Goldenen Löwen erzählte man sich, Dutzende Hüte seien ins Rathaus gebracht worden, einer davon sei blutig gewesen. Von der Kirche der Unteren Stadt fielen
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