Blumenfresser
Kopf, der Schrecken hatte ihn gepackt.
Sie wird bald sterben, wenn du sie mir nicht gibst.
Sie ist doch gesund!
Bei euch verwelkt sie, das weißt du sehr gut.
Ich gebe sie nicht her, flüsterte der Zigeuner, Hass strömte durch seine Seele. Er hasste nicht den Mann, der ihm gegenübersaß, sondern das Ausgeliefertsein. Im Licht des Tagesanbruchs sind Zigeunermädchen wie Knospen, doch bis zum Abend sindihre Zähne faul, ist ihr Schoß verdorben, und in die Falten ihrer Haut haben sich Fliegen eingenistet. Somnakaj war wie die aufgehende Sonne, ihr Haar glänzte, ihr Kummer war schön, konnte jedoch jederzeit verderben. Er wusste wahrlich, was ihr Schicksal wäre, bliebe sie bei ihnen. Binnen weniger Sommer würde sie so verwelken, als wäre sie schon als Vogelscheuche zur Welt gekommen!
Der Woiwode stürzte so hastig davon, dass er das Bild zu Boden fegte.
Als seine Schritte wieder durch das Lager hallten, lag Somnakaj bereits im Sterben.
Barka tanzte im Schlamm.
Er warf einen Kessel nach ihr und bat ein Kind, so lange vor dem Haus des Deutschen zu brüllen, bis er mitkam. Doktor Schütz traf bald ein und ließ das Mädchen unverzüglich in das Haus der Familie Schön bringen, dort begann er mit der Behandlung. Gilagóg tobte, aber er konnte nichts tun. Eine lange Therapie nahm ihren Anfang, doch auch in den schlimmsten Momenten ließ der Doktor nie den Gedanken zu, dass sie Somnakaj verlieren könnten, dabei war ihr Zustand kritisch. Während in der Stadt die vom Feuer der Revolution entflammten Bürger der Reihe nach aus ihren Häusern geholt wurden, rang Somnakaj nach Luft. Innerhalb von Tagen magerte sie ab, um dann anzuschwellen, Wasser sammelte sich in ihren Gliedern, der Bauch wuchs, als wäre sie schwanger. Sie redete wirr wie eine Sterbende. Ihr Vater, saß oft vor dem Haus, den inzwischen riesigen schwarzen Hund zu seinen Füßen, oder wanderte auf der Suche nach Heilkräutern durch die Gegend, und er stritt mit dem Doktor, der manchmal die Anwendung von Kräutern gestattete, um sie dann wieder so energisch zu verbieten, als hätte der Zigeuner Gift gebracht. Mehrmals wollte Gilagóg seine Tochter mitnehmen, doch man gab sie ihm nicht. Dem Deutschen mit den fürchterlichen Wörtern wagte er sich nicht zu widersetzen, er versuchte es bei Imre.
Und wenn sie bei euch stirbt?, fragte Imre.
Und wenn sie hier stirbt?, murrte der Woiwode.
Bei euch ist sie krank geworden, bei mir wird sie gesund werden, damit beendete Imre die Diskussion und sah Klara an, die gerade aus dem Zimmer des Mädchens trat.
Mit sanftem Spott betrachtete Doktor Schütz abwechselnd den Woiwoden, der um seine Tochter bettelte, und Klara, die langsam wieder zu sich fand und vielleicht gerade aus dieser Krankheit Kraft schöpfte. Er wandte eine eigenartige Heilmethode an. Wenn Somnakaj zu ersticken drohte, streichelte er sie und summte einfältige deutsche Kinderlieder, wenn Fieber sie quälte, errichtete er auf ihrem Bauch eine Pyramide aus Eiswürfeln, die er jedoch nach einigen Minuten umgruppierte, nun baute er um die nussgroßen Brüste herum eine Mauer. Wenn sie Schmerzen litt, half er ihr auf die Beine, ging mit ihr auf und ab, machte sie müde. Der Woiwode wollte ihn umbringen. Er holte sein Messer hervor und hätte dem Alten vielleicht wirklich die Kehle durchgeschnitten, hätte Imre ihn nicht am Arm gepackt.
Doktor Schütz betonte immer, meistens brüllend, dass der Körper der größte Feind des Körpers sei, zugleich aber auch sein größter Freund, und ein guter Arzt sei nichts anderes als ein weiser Manipulator, der den von Selbsthass gemarterten Körper mit sich aussöhne. Das sei der erste Schritt zur Heilung! Somnakaj kotzte Nächte hindurch, am Morgen war sie dann ruhig, sie lag da wie tot, doch Imre sah, dass sie atmete, wenn auch schwach. Der Tag graute, frierende Schatten schälten sich aus der Decke der Dunkelheit und wurden zu Häusern, Bäumen, Blumen und Menschen. Der Doktor hatte die ganze Nacht gewacht, nun stand er da, an den Türstock gelehnt und nickte müde, es war vorbei, vorbei.
Neben dem Bett lag der schwarze Tulpenfisch und zappelte.
Das Mädchen atmete mit geschlossenen Augen und weit offenem Mund. Ihre Lippen waren schwarz von geronnenem Blut. Imre wischte sie ab und griff nach dem zuckenden Tulpenfisch. Ein winziges Tier, kalt und schlüpfrig. Furchteinflößend warenbesonders seine Augen, dieser geheimnisvolle und doch offene Blick. Imre begannen die Hände zu frieren, er ging hinaus.
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