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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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der Erde zu studieren und auf diese Weise dem ihm nachspionierenden Geheimagenten die Laune zu verderben. In Bayern wurde er aufgegriffen, es war Spätwinter, er reiste nach München, um im Isartal die Schneeheide in Augenschein zu nehmen, jene blassrote Blume, deren winzige Glocken auch unter dem Schnee nicht erfrieren. Gerade hatte er am Rande eines Buchenhains ein paar Pflanzen gefunden, als Waldarbeiter ihn anschrien, umringten, packten und ins nächste Dorf schleppten. Unterwegs redeten sie nicht mit ihm, musterten ihn feindselig,beobachteten jede seiner Bewegungen, er verstand nicht, was in diese Menschen gefahren war, er stellte ihnen Fragen, doch die schweren, mürrischen Männer antworteten nicht, sie stießen ihn in eine Scheune und ließen sich einen Tag lang gar nicht blicken, fast wäre er erfroren. Doch dann traf aus München ein Kriminalbeamter ein, der ihn gründlich ausfragte, und erst, als Imre auf alles zufriedenstellend geantwortet hatte, verriet er ihm, dass in der Gegend ein verruchter Mörder sein Unwesen treibe, in letzter Zeit hätten Kalkbrenner drei menschliche Leichen gefunden. Eine von ihnen sei ein durchreisender Agent gewesen, die zweite ein einheimischer Köhler, das dritte Opfer ein von daheim fortgelaufenes Mädchen. Alle drei seien erwürgt worden. Der Blick des Kriminalbeamten verriet Traurigkeit und innere Kämpfe.
    Ich habe immer geglaubt, dass das Schneeglöckchen im Frühling die erste Blume ist, sagte er.
    Imre zuckte mit den Achseln, es ist aber nicht das Schneeglöckchen, mein Herr.
    Und auch nicht das Maiglöckchen, setzte der andere hinzu.
    Die Schneeheide blüht im Frühling als erste, sagte Imre.
    Übrigens, der Beamte beugte sich vor, weiß ich, wer der Mörder ist.
    Imre verstand nicht.
    Es ist ein Einheimischer, einer von den Holzfällern, sagte der Beamte traurig, und Imre hätte ihn gern getröstet. Am nächsten Tag wurde der Mörder verhaftet. Es war ein alter Mann, ein Witwer und Köhler. Er sagte nichts, doch als er abgeführt wurde, lächelte er Imre an.
    Auf der Buchholzwiese nahe Berlin sah Imre den dunkelblauen Enzian, diese seltene Blume, und in bayrischen Mooren Alpen-Fettkraut und Aurikel. Im dämmrigen Karwendel, im Dschungel der verfaulenden Stämme, Kletterpflanzen und Windengewächse verirrte er sich im nassen Laub und gelangte erst nach einem halben Tag des Herumirrens wieder ans Sonnenlicht. Er hatte keine Angst gehabt, dabei schien er der Hölleentronnen zu sein. Er hätte jederzeit umkehren können. Auch reiste er zu den Mooren im Nordwesten des Landes, die in tausendjähriger Üppigkeit dalagen, die Schwaden verdeckten den Himmel, auch hier verbrachte er ein, zwei Wochen, danach kehrte er nach Dresden zurück und sann darüber nach, was er mit seinem Leben beginnen solle.
    Das Mädchen hieß Maria und war dank ihrer Mutter zur Hälfte Zigeunerin, den Vater bezeichnete sie bald als Italiener, bald als Franzosen. Imre dachte, dass sie schwindelte und sicher zur Gänze Zigeunerin war. Immer war sie es, die zu ihm kam, und sie sagte niemals, ob er morgen oder nächste Woche mit ihr rechnen könne. Kennengelernt hatten sie einander in der nahen Kneipe, er musste Maria nicht rufen, sie kam von selbst und entledigte sich mit rascher Natürlichkeit ihrer Kleider, ihr Körper wies zahlreiche Spuren von Schlägen auf, Schulter und Rücken waren voller Wundmale. Doch sie schliefen nicht miteinander. Maria verließ eine Woche lang das Bett nicht, während sie in ihrer seltsamen, melodiösen Sprache ständig redete. Sie wälzte sich hin und her, das Fieber brannte ihr Flecken auf Gesicht und Bauch, sie redete und sang immerzu. Dann wurde sie gesund, weil auf der Straße vor dem Haus ein kleines Kind überfahren und Maria von dem Schmerzensschrei aufgeschreckt wurde. Sie ging ohne Abschied fort, eines Tages fand Imre die Tür seines Quartiers offen. Das Mädchen hatte nichts mitgehen lassen, und Imre besaß auch keine besonderen Wertsachen, seine Zeichnungen und Notizen waren nur für ihn wertvoll. Nach einigen Tagen tauchte Maria wieder auf, auch jetzt sang sie. Imre hörte ihr zu und verstand sie immer besser. Manchmal unterbrach er sie mit Fragen. Sie sprach von einem Fisch, wenn der sich im menschlichen Körper einnistet, sterben wir.
    Er muss herausgeholt werden, denn der Tulpenfisch ist der Tod!
    In einer anderen Geschichte war ihr Vater Deutscher, ein Dragoneroffizier, der einmal Napoleon gesehen hatte. In der nächsten Geschichte war er Fischer und fing

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