Blumenfresser
meine Tochter auf, hörst du!
Er verzog den Mund, erwiderte aber nichts.
Wenn du das nicht tust, bist du mein Feind!
Imre antwortete in der Zigeunersprache, sie passt auf uns auf, Woiwode, und ging davon, noch lange hörte er die Klänge der Geigen. Er ging nach Hause wie ein Betrunkener.
Daheim hatte er das Gefühl, er habe sich verirrt. Er spürte nicht, dass er lebte, er sah das in Lethargie verfallene, eingeschüchterte Land nicht, er wollte die auf der Straße geschäftig umherhastenden Menschen nicht sehen, nicht die Schadenfrohen und die Speichellecker, und er sah die anmaßenden Büttel nicht. Er suchte Klara, die mit ihm lebte, mit ihm schlief, sich das Haar für ihn kämmte und die sich, wenn sie zu einem Spaziergang aufbrachen, bei ihm einhängte und nein sagte. Beim Lesen hob sie den Kopf, nein, flüsterte sie Imre zu. Er schicktesich an aufzubrechen und verabschiedete sich, in seinem Rücken sagte sie nein. Eines Morgens entzog er ihr seinen Arm.
Nein?!, brüllte er mit rotem Kopf, du sagst nein?! Dann soll es aber auch wirklich nein sein, meine Liebe!
Er lief hinaus zwischen die rumpelnden Fuhrwerke, unter die Männer, die mit ihren Schubkarren zur Arbeit fuhren, und die Frauen, die zum Markt eilten, er schäumte und spuckte. Doch in dieser Welt voller Geruch und Geschmack wurde ihm wohler, der Bäcker bot frische Brötchen feil, Imre kaufte eines, es war noch warm, er riss mit den Zähnen ein Stück ab. Er war fortgegangen wie ein Geist, hatte Klara allein gelassen, als wollte er aus ihrem Leben hinauslaufen. Er dachte, er würde nie mehr zurückgehen. Da irrte er sich. Schon am Abend stolperte er aus dem Gasthaus der Frau Léni nach Hause, wenn er auch unterwegs seinen Hut verlor. Dieses Missgeschick würde ihm noch einige Male unterlaufen.
Was fürchterlich sein wird
Die früheren Stadtherren wurden aufgefordert, über ihre Vergangenheit Rechenschaft abzulegen, sie trotteten ins Rathaus, als seien sie zu ihrer eigenen Hinrichtung geladen. Dieses Untersuchungsverfahren stellte eine Säuberung dar, und die Furcht war nicht ohne Grund. Bald nach der Niederwerfung der Insurrektion wurden auf dem Burghof einige Todesurteile vollstreckt. Bedrückt berichtete Doktor Schütz von den Neuigkeiten, einmal hatte man ihn sogar zu dem tobenden Haynau gerufen, dem ein Fußnagel ins Fleisch gewachsen war. Der Feldzeugmeister wies das Betäubungsmittel zurück, laut Doktor Schütz deshalb, damit er die Ungarn während der Operation besser schmähen konnte. Der Doktor erzählte, dass einer der zum Tode Verurteilten, ein Schneiderlehrling aus Makó, der Waffen hatte stehlen wollen, vor der Exekution auf den Knien um sein Leben gebettelt hatte. Der Junge flehte so herzbewegend, dass ein alter Soldat, der hätteschießen sollen, aus der Reihe trat, seitdem saß er im Kerker, er musste mit einer exemplarischen Bestrafung rechnen.
Die polizeiliche Überwachung war allgegenwärtig, jedes geschriebene Wort und jeder Vortrag wurden zensiert, Versammlungen waren verboten. Und weil jemand mit Ihrer Majestät Mitte August, ausgerechnet an ihrem Geburtstag, seinen Spott getrieben hatte, wurden ungarische Theatervorführungen mit sofortiger Wirkung verboten. Das Theatergebäude wurde von der deutschen Truppe Leopold Lederers gemietet, der Doktor stand mit den Schauspielern in guten Beziehungen, Direktor Lederer selbst bestellte häufig gedächtnisfördernde Ampullen bei ihm, und er zuckte nur die Achseln, wenn man ihm die Vertraulichkeit mit den Deutschen zum Vorwurf machte. Patient ist Patient, und Theater ist nur Theater, brummte er und wehrte die Räsoneure ab. Man ließ ihn auch rufen, als ein junger Bursche in der Nacht über den Fluss hatte setzen wollen, doch von den Schergen ergriffen und so verprügelt wurde, dass er einen Rippenbruch und einen ausgerenkten Kiefer davontrug. Der heldenmütige Sohn des Apothekers der Unteren Stadt stöhnte jämmerlich, worauf der Doktor, das Gesicht des Burschen im noch sanften Griff, ihm erklärte, dass er gleich mit zwei Arten von Schmerzen Bekanntschaft machen werde, der eine werde fürchterlich, aber kurz, der andere langsam, doch unerträglich sein. Dann zeigte er, indem er das Kiefergelenk mit einer raschen Bewegung an seinen Platz brachte, wie der erste Schmerz beschaffen war. Der Doktor äußerte Imre gegenüber sein Unverständnis, dass diese Fälle nicht dem Burgarzt oder einem Gefängnisfeldscher übertragen wurden. Schließlich zog er den Schluss, dass man ihn auf
Weitere Kostenlose Bücher