Blumenfresser
nur Tulpenfische.
Maria erzählte, kam und ging.
Als Imre ihr endlich die Hand auf den Bauch legte, widersetzte sie sich nicht. Sie hörte nie auf zu erzählen, sogar im Schlaf reihte sie die Sätze aneinander, doch länger als bis zum Morgen blieb sie nie, wenn auf der Straße eine Milchfrau schrie, schwang die Tür schon knarrend hinter Maria her. Als Imre zwei Wochen vergeblich auf sie wartete, begriff er, dass sie bereits jemand anderem erzählte, dass ihr Vater ein spanischer Adeliger gewesen sei, der in Madrid ein von Heckenrosen überwachsenes Steinhaus mit Balkon besaß, das von Bienenmusik erfüllt war, noch in der Nacht hallte die Melodie aus den Blüten wider.
Im Januar des Jahres 1841 traf er wieder in Szeged ein, von da an reiste er selten, wenngleich ihm eine große, grausame Reise noch bevorstand. Sein Vater war hinfällig und bedurfte vieler Fürsorge und Pflege, manchmal musste er von der nächsten Ecke oder irgendeinem Markt heimgebracht werden, wohin er sich fortgestohlen hatte. Imre ging bereits mit Samensäckchen durch die Stadt und pflanzte alles Mögliche. Innerhalb kurzer Zeit hatte er zweifelhafte Berühmtheit erlangt, schon sein erster naturwissenschaftlicher Vortrag mündete in einen Skandal. In den Jahren, in denen alle bedeutenden Köpfe an der Reform des Landes arbeiteten, hielt er einen Vortrag über die Sprache der Pflanzen.
Wie bitte?! Gräser, Bäume, Blumen sollen sprechen können?!
Genauso wie wir, meine Herren.
Natürlich hat jedermann ein Recht auf Schwachsinn, aber es ist besser, sich solche wirren Ideen für daheim aufzusparen!
Ein grauhaariger Wissenschaftler im Dolman brüllte.
Über das sind wir bitte schon hinaus!
Szeged hat keinen Bedarf an so einem ungereimten Zeug!
Der Vater starb im Frühling 1842, und wie nicht anders zu erwarten, kam Peter beim Begräbnis zu spät, der Sarg war bereits von Erde bedeckt. Er ging übernächtigt, mit geballten Fäusten durch die Menge der Trauernden, die ihn gar nicht anzusehen wagten, so finster war sein Blick. Dann weinte er lange am Grabund war erst bereit, in die Stadt zu kommen, als Imre zu ihm trat, ihn am Arm fasste und sagte, dass er ein Lokal kenne, wo ausgezeichneter Saftbraten serviert werde. Peter wurde ruhig, überlegte, Bruder, weißt du, mir ist mein ganzes Geld gestohlen worden, worauf der nickte, natürlich sei Peter sein Gast.
Imre, ich konnte nicht früher da sein!, röchelte Peter.
Ich weiß, sagte Imre.
Wenn du ein Pferd zureiten willst, kannst du das nicht einfach unterbrechen, brummte Peter, er beugte sich hinunter zum Grab und küsste die nasse Erde, an seinem Mund blieb etwas davon kleben. Es vergisst sonst alles, erklärte er, und du kannst von vorn beginnen. Ein Pferd lernt nicht so wie der Mensch. Dieser dumme Hengst hat die Wüstenblume abgeworfen, die Arme wird nie wieder ordentlich gehen können.
Die Wüstenblume, sagte Imre, wird von nun an hinken.
Nein, winkte Peter ab, sie zieht nur den Fuß ein wenig nach. Weißt du, solche Frauen, sinnierte er, haben mehr Leidenschaft in sich als diejenigen, die sie aus sich heraustanzen können. Sie beißt dabei und schlägt mich, Peter hakte sich bei seinem Bruder ein und fragte, die Augen noch immer auf das Grab geheftet, sag, liebster Imre, was macht diesen Saftbraten so besonders?
Nein, auf dem Bild, das der Knabe an jenem Vormittag im März 1850 mit offenem Mund und eine Maispuppe schwenkend betrachtete, war gar nicht so viel zu erkennen. Vielleicht hatte ihn der traurige Blick des Großvaters gebannt. Vielleicht hatte der Käfer, der über den Rahmen mit dem Kletterpflanzenmuster krabbelte und sich auf den Schnurrbart von Antal Schön zubewegte, seine Aufmerksamkeit erregt. Das Kind machte ein paar Schritte und plumpste dann auf den Hintern. Es bemerkte nicht, dass die ganze Zeit über der Blick des Vaters auf ihm ruhte. Mit einem Ruck hob es den kleinen, lockigen Kopf, es hatte etwas gehört. Jemand sang. Die Klänge kamen von der kalten, kahlen Straße. Sie waren zugleich Rede und Gesang, Gestöhne und hingebungsvolles Trällern.
Somnakaj lief ins Zimmer, auch sie hörte dem Lied einenMoment lang zu, dann hob sie den Kleinen rasch in die Höhe und drehte sich mit ihm im Kreise.
Blüte, Blüte!, rief sie und stürmte mit dem Kleinen hinaus.
Imre lehnte zwischen zwei Bücherregalen an der Wand. Jetzt setzte er sich wieder auf den Stuhl. Somnakaj war bei ihnen geblieben, Klara wollte es so, sie hing an ihr, und Imre spürte, dass seine Frau sie
Weitere Kostenlose Bücher