Blumenfresser
hatte sich herausgestellt, dass Koroknai aus dem städtischen Hilfsfonds stahl, und bei der Aufdeckung hatte Kigl, der in seinem Blatt Anspielungen auf die geheimnisvollerweise geschrumpften Zuwendungen machte, keine unwesentliche Rolle gespielt. Der Stadtbeamte band sich einen Stein um den Hals und warf sich von einem Weizenfrachter ins Wasser.
Es ist nicht egal, wie man ertrinkt, wenn man nun mal ertrinken muss! Der Tod des langfingrigen Koroknai illustrierte exemplarisch, welches Verantwortungsgefühl Stilisten gegenüber Formen haben. Der Mantel des ins Wasser stürzenden Koroknai blieb an einem Haken hängen, der aus dem Schiffskörper herausragte, weshalb der Unglückliche nicht von der Tiefe verschlungen wurde. Obwohl sein Kopf, vom Stein gezogen, untertauchte, blieb der Rumpf an der Oberfläche. Er hing an der Flanke des Schiffes wie eine zur Zierde angebrachte Puppe, und Kigl wusste diesen stilvollen Einfall zu schätzen. Als er die Witwe persönlich in ihrem Zuhause in der Unteren Stadt aufsuchte, um bei der Beschlagnahme zugegen zu sein, wurde sie seine Geliebte. Frau Koroknai, die verwaist in der ausgeräumten Wohnung zurückblieb, ließ es zu, dass Kigl sich neben sie setzte, den Arm um sie legte und sie zu trösten begann. Er verstand bis heute nicht, warum sie ihn in ihr Bett gelassen hatte. Sah sie wegen seines Berufs zu ihm auf? Oder duldete sie es, damit er sie bedauerte, denn sie klagte oft während der Liebe. Und weil ein solches Verhalten nicht den richtigen Stil verkörperte, bemühte sich Kigl nie, ihren Schmerz zu lindern.
Das Haustor quietschte. Unwillkürlich begann der Redakteur die Knarrlaute der Holztreppe zu zählen, er machte sich darauf gefasst, dass einer seiner Gläubiger, der Besitzer seines Stammlokals, des nahe gelegenen Kaffeehauses, bei ihm vorstellig wurde, um sich zu erkundigen, wann er so freundlich wäre, seine Rechnung zu begleichen. Zwei, drei Mal in der Woche aß er im Kaffeehaus zu Mittag, am Monatsanfang zahlte er, doch im Moment besaß er keinen roten Heller, und weil er keine Idee hatte, wann er zu Geld kommen würde, musste er dem Besitzer, der übrigens ein Dummkopf war, stilvoll Rede und Antwort stehen. Wieder lauschte er auf die Schritte, ein leichterer Mensch als der fassähnliche Kaffeesieder näherte sich. Vielleicht kam irgendein beleidigter Schauspieler, dessen Talent er, natürlich mit vollem Recht, in Zweifel gezogen hatte?! Nach beißenderenKritiken stießen Schauspieler oft Drohungen aus, stellten Ohrfeigen in Aussicht, doch eine freundliche Erwähnung machte sie wieder zu zahmen Lämmern. Eitle Tröpfe, dachte er, als es mit unerwarteter Energie an der Tür klopfte, die auch sogleich aufging. Ein bekanntes Gesicht tauchte auf.
Imre Schön war es, der in die Redaktion der Szegeder Nachrichten hereinplatzte, Aug in Aug stand er Kigl gegenüber, der zugleich Erleichterung und Verlegenheit verspürte. Imre griff in die Innentasche seines Mantels, riss die neueste Nummer der Szegeder Nachrichten hervor und knallte sie mit einer theatralischen Geste auf den Tisch. Die Zeitung öffnete sich im Feuilletonteil, dort war eine naturwissenschaftliche Abhandlung abgedruckt, eine in sprachlicher Hinsicht tadellose Schrift, was Kigl besonders gefallen hatte, dennoch wirkte sie wie aus einer fremden Sprache übersetzt, der Verfasser mochte lange in der Fremde gelebt hatte, in Frankreich oder Italien. Doch die Eleganz der Argumentation, die Subtilität der Schlussfolgerungen, die bestechende Sachkenntnis und die lebensechte Schilderung ferner Welten, wunderbarer Gärten und prächtiger Parks ließen keinen Zweifel zu, dass die Schrift ein Gewinn für das Blatt war und die besten Pester und Wiener Zeitschriften sich darum reißen würden, zudem auch die Zensoren keine Einwände haben konnten, schließlich handelte es sich um lupenreine Wissenschaft. Kigl nahm anscheinend keine Notiz vom aufgewühlten Gemütszustand des Gastes, lächelnd erhob er seinen langgestreckten, knirschenden Körper und wies auf den Stuhl gegenüber.
Sie wünschen, Herr Professor, er gab sich liebenswürdig.
Doch Imre Schön blieb stehen.
Kennen Sie den Autor der Rezension?!, schrie er, in seinem Betragen lag etwas Übertriebenes, das Kigl, auch wenn er es nicht zeigte, zutiefst übelnahm. Wie es schien, wurde er in seinem eigenen Reich verhört!
Natürlich kenne ich ihn, antwortete er mit verhaltener Stimme, obwohl er die Sendung per Post erhalten hatte.
Imre verschränkte die Hände
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