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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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Spiel war, in die Sonne zu starren, um dann, wenn die ganze Welt in Flammen stand und sie blind war, den Blick rasch auf den Fluss zu wenden, der aus brennendem Honig zu bestehen schien. In der Strömung des Windes lief sie zum Bug, denn der Wind ging und lief auf dem Wasser wie die Menschen auf der Erde, er zeichnete Rüschen und Wege auf den Rücken des Flusses, anderorts strich er ihn spiegelglatt. Besonders mochte sie den Duft des Wassers. Es war ein tiefer und reicher Duft, er beunruhigte, indem er zwar Freundschaft bot, doch seine Geheimnisse nicht verriet. Im Duft des Wassers mischten sich friedliche Fäulnis, wildes und begieriges Leben und zerfließende Traurigkeit ebenso wie Hass.
    Man darf keine Angst davor haben!, brummte Pelsőczy.
    Aber du fürchtest dich doch auch vor dem Wasser, Papa!
    Und ob ich mich fürchte, lachte er.
    Ihre Augen weiteten sich. Wozu dann das Ganze?!, fragte sie, mit einer zögernden Bewegung um sich deutend.
    Vielleicht kommt ein Moment, wo mich die Angst vergisst. Er legte den Kopf schräg, und sie sah von neuem sein fremdes, erschreckendes Gesicht.
    Als Jahre später am Ufer sein Leichnam gefunden wurde, war es dieses verzerrte Antlitz, das Klara sah. Immer mehr gerieten in ihr die Erinnerungen durcheinander, ein banges Gefühl überwältigte sie, und sie hatte die Empfindung, jemanden ständig zu vergessen, aus ihrem Leben auszuschließen. An jenem heißen Sommertag im Jahr 1845 traf sie mit Verspätung ein, Imre, ihr Mann, stand schon am Ufer, sein Gesicht war schmal, seine Stirnschweißnass. Fischer und Arbeiter umstanden den Toten. Er war umgebracht worden oder ertrunken, man wusste es nicht. Klara brachte kein Wort heraus, ihre Augen waren trocken. Frauen jammerten, andere schwatzten: Jeder, wie er es verdient.
    Krepiert doch, ihr Bauerntrampel, dachte Klara, endlich brach sie in Tränen aus. Der Schiffsbesitzer namens Berger, der ihnen nachgerudert war, brummte, dass Pelsőczy sich selbst zum stadtseitigen Theißufer begeben und mit ungeschickten Armschlägen zu schwimmen begonnen habe.
    Es war eher ein Zappeln, Berger zuckte die Achseln.
    Jedenfalls habe er den Fluss durchschwommen, das könne er vor jedermann bezeugen.
    Er hat gar nicht schwimmen können und ist trotzdem hinübergeschwommen, sagte Berger und lachte auf.

Sieh nicht hin, meine Kleine!
    Vor einigen Monaten hatte die Donau Teile von Buda und Pest verschluckt, die Zerstörung war immens, zu helfen war ein Gebot des Anstands. Schon seit Wochen waren die Jurastudenten von Szeged mit der Organisation des Wohltätigkeitsballs befasst, um einen Teil der Einnahmen Bedürftigen zukommen zu lassen. Es versprach das glanzvollste Ereignis des Jahres zu werden, einflussreiche Bürgersleute, örtliche Potentaten durften diese Gelegenheit nicht verpassen. Klara wusste, dass sie ohne die Mutter nicht hingehen konnte, sie musste sie überlisten, und sie betrug sich auf beispiellose Weise, ihre Fröhlichkeit war theatralisch und unwiderstehlich, sie hätschelte die Mutter, befahl dem Vater, sie mit Blumen und Schokolade zu überraschen, kämmte ihr das trockene Haar, las ihr jeden Wunsch von den Augen ab.
    Margit musterte ihre Tochter argwöhnisch, die ihr etwas von wunderschönen Kleidern und Wiener Mode zuflüsterte und deren Atem heiß war, hastig und süß. Allmählich wurde sie milder gestimmt, ihr Gesicht bekam Farbe, sie strich sich unwillkürlichüber die Schläfen, und hin und wieder ertappte sie sich dabei, dass sie Liebeslieder summte. Da schlug sie sich gleich auf den Mund, doch wenig später fing sie von neuem an. Und am Nachmittag des großen Tages duldete sie ergeben, dass ihre Tochter das Kommando übernahm, sie vom Scheitel bis zur Sohle umwandelte, einen anderen Menschen aus ihr formte. Zögernd widersetzte sie sich noch, da hob Klara den Finger, pst, Mama, das kannst du nicht wissen, woher auch, überlass nur alles mir, schließ ruhig die Augen, und Margit, die ihre Augen ja doch nicht schloss, sondern im Gegenteil noch auf die geringste Bewegung ihrer Tochter achtete, hatte keine Ahnung, woher Klara sich mit so viel unnützem Zeug auskannte, offenbar hatte auch hier der unverbesserliche Pelsőczy seine Hand im Spiel, war er es doch, der die schädlichen Bücher und Modeblätter ins Haus brachte, die dem Mädchen Flausen in den Kopf setzten. Zärtlich manikürte Klara der Mutter die Finger, brachte ihre Nägel zum Glänzen, zupfte ihr die Härchen vom Kinn. Sie färbte ihr das Haar rabenschwarz, brachte

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