Blumenfresser
alles Grau und Weiß darin zum Verschwinden und machte aus der ganzen Fülle Ringellocken. Margit protestierte unbeholfen. Locken seien auch bei Männern in Mode, lachte Klara, dann holte sie entsetzliche Drähte hervor, die sie am Mutterkopf anbrachte, um Bänder und echte Knospen daran zu befestigen. Währenddessen zwitscherte sie wie ein Vogel, die Mutter solle nicht auf sie achten, sondern an etwas Schönes denken. Klaras Finger waren schwerelos, und wenn sie ihre Haut berührten, überlief die Mutter ein Schauer. Trotzdem vermochte sie nicht aufzutauen, die Beklommenheit und das Zittern ihres Körpers ließen sie nicht los. Klara schwatzte von Cretonnematerialien, weichen Taften, samtigen Musselinen und tabakbraunen Organdykleidern, und Margit staunte mit wachsendem Entsetzen über dieses andere Wesen, das ihr im Spiegel entgegenblinzelte. Ihre Tochter schien sich selbst aus ihr zu erschaffen, aus ihrem verdorrten Leib jemanden hervorzuzaubern, der so war, wie sie.
Margit war jung und schön geworden.
Herrgott, sie konnte ja auch so sein!
Was würde sie das kosten?!
Klara nahm nicht wahr, dass sich mehr und mehr Wut in die Hilflosigkeit der Mutter mischte. Endlich ließ sie sie aufstehen und sich vor dem Spiegel betrachten. Das Kleid war aus olivgrünem Samt, seidengefüttert und so stark tailliert, dass sie kaum Luft bekam. Das Material war durchscheinend und das Dekolleté unanständig tief. Für diesen Anlass hatte sie auch flache, zierliche Glanzlederschuhe bekommen, die hatte sie letzte Woche, gemäß Klaras Instruktionen gemeinsam mit ihrem Mann gekauft. Klara hatte sich ebenfalls angekleidet, und der ungeduldige Pelsőczy durfte endlich ins Zimmer. Er ließ einen bewundernden Pfiff hören, oh, was für prachtvolle junge Damen, eine schöner als die andere!
Warum weinst du?, fragte er seine Frau.
Dein Selbstmitleid ist überflüssig!, zischte er, und der unangenehme Zug erschien in seinen Mundwinkeln.
Oder weinst du etwa vor Glück, säuselte er ihr ins Ohr, er begann, ihr den Hof zu machen und Unverschämtheiten zu flüstern.
Du bist eine Blume, die gepflückt gehört, meine Liebe!
Du bist eine Knospe, und ich der Gärtnerbursche.
Margit hatte das Gefühl, er betrüge sie mit einer anderen Frau.
Der Ball war schauderhaft.
Sie wagte nicht, sich zu rühren, wagte nicht, zu tanzen, den ganzen Abend stand sie neben einem kleinen dicken Amor in der Ecke, hasste alles und jeden, sie war überzeugt, dass über sie getuschelt wurde, auch sich selbst hasste sie, weil sie so ausgeliefert war, sie bemerkte nicht einmal, dass der Engel es genau auf sie, auf ihr Herz abgesehen hatte, auch die Schuhe quälten sie furchtbar, das enge Kleid quetschte ihre Brust, vor Nervosität musste sie pinkeln, und schließlich gab auch Pelsőczy es auf, sie zum Tanz zu führen oder mit anderen Leuten zusammenzubringen. Mit gezwungenem Lächeln nickte er Bekanntenzu, und wenn der Kellner das Tablett vorbeibalancierte, nahm er rasch zwei Champagnergläser herunter und leerte beide in einem Zug. Dann stahl er sich fort, und Margit blieb allein. Besser so, dachte sie, wenigstens musste sie nicht sein Geseufze hören. Klara tanzte einige Runden Walzer, antwortete den aufdringlichen Blicken mit verächtlichen Grimassen, flüsterte ein wenig mit den anderen Mädchen, doch bald fiel ihr auf, dass ihr Vater, der dann doch wieder bei der Mutter stand, bereits so betrunken war, dass er den kleinen Amor belehrte, er versuchte ihn dazu zu bewegen, seinen verfluchten Pfeil endlich ins Herz der Mutter zu schießen. Margit rang die Hände, ihr Blick flehte. Resigniert verabschiedete Klara sich von ihrem Tänzer.
Daheim stand sie lange im Vorraum vor dem Spiegel, ihre Finger verirrten sich auf ihren Schoß. Wäre es Sünde, wenn sie sich jetzt wohltat? Der Vater übergab sich im Laubengang, schon seit Minuten, und aus dem Schlafzimmer, in das sich die Mutter sofort nach ihrer Ankunft zurückgezogen hatte, drang nicht der geringste Laut. Das Mädchen bemerkte die von der Mutter hingeworfenen Ballschuhe, sie wirkten wie abgerissene Engelsflügel. Sie kniff die Augen zusammen und bückte sich. Beide Schuhe waren an den Fersen blutig! Knospen lagen über den Fußboden verstreut, sie mochten der Mutter aus dem Haar gefallen sein, als sie sich mit einem einzigen, seit Tagen unterdrückten Aufschrei ins Schlafzimmer geflüchtet hatte. Klara sammelte fünf Knospen auf, vier davon zerkaute sie langsam, die fünfte nahm sie mit ins Bett und hatte
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