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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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einmal an das Begräbnis, vielleicht war er gar nicht dort gewesen, hatten sie ihn gar nicht mitgenommen.
    Er spielte allein, und nie wurde ihm langweilig. Manchmalfand er unter den Jungen der Umgebung einen Gefährten, doch die neuen Freunde blieben ihm nicht lange, plötzlich fiel ihm auf, dass er wieder allein war mit der Sandburg oder den Lehmfiguren, die er formte. Es machte ihm nichts aus, er spielte einfach weiter und dachte sich nichts dabei. Er wusste noch nicht, dass die Einsamkeit ihn sein Leben lang begleiten würde, und vor allem ahnte er nicht, dass sein Ausgestoßensein dem Glück als Nahrung dienen würde.
    An jenem Tag lungerte er neben dem Stall herum, als er an der Wand einen Schatten bemerkte, eine Eidechse. Sie huschte die Wand hinauf, und er setzte sich ins Gras und wartete, den Blick starr auf sie gerichtet. Die Sonne brannte ihm in den Nacken, Grillen zirpten, eine Fliege setzte sich auf seine Stirn, die Eidechse rührte sich nicht. Das Gesinde hielt Siesta, die Tiere weideten in der Nähe, manchmal klang ein schläfriges Muhen herüber.
    Alles wird einmal mir gehören, dachte er, all das Gute, das man sehen kann, wird mir gehören!
    Dann schreckte er auf: Er fühlte seinen Tod so nahe, als hätte er den eigenen Leichnam berührt. Die Eidechse rührte sich nicht. In der Ferne läuteten Kuhglocken, eine Herde zog Richtung Szeged, Peitschen knallten, Hirten schrien mit kehliger Stimme. Schweiß lief ihm über die Schläfe, und jetzt sah er keine Eidechse mehr, sondern nur einen kleinen Spalt. Er blickte in den Riss in der gekalkten Lehmwand hinein, sein ganzes Leben schien sich darin aufzuschließen, die ungewisse Zukunft, die Hoffungslosigkeit der kommenden Jahre und die wachsende Einsamkeit.
    Ich werde stärker sein als die anderen.
    Er steckte sich einen Grashalm in den Mund und begann, immer noch in den Spalt starrend, darauf herumzukauen. In der Ferne hörte er Musik, die allmählich lauter wurde, Wind kam auf, heiße Röcke tanzten um ihn herum, die Grasmusik wurde unerträglich. Der raschelnde Affenbrotbaum kam auf ihn zu, zwischen den Wurzeln winkten grinsende Tote, die ihn zu sicheinluden, sie flüsterten und sangen. Adam schloss die Augen, und als er aufblickte, sah er den Spalt nicht mehr. Er tastete nach der Stelle, wo die Eidechse gesessen hatte. In diesem Moment packte ihn jemand am Hals und drückte ihm den Kopf nach hinten. Ein Mann in Pelzjacke ragte vor ihm auf, seine Züge waren grob, am Kinn schimmerten die Bartstoppeln blau, doch Adam erwiderte den Blick ohne Furcht, worauf der Mann ihn auf den Mund küsste. Adam spürte die stechenden Haare und den schalen Mundgeruch, der an durchnässtes, faulendes Gras erinnerte.
    Închide-ţi ochii!, knurrte der Fremde.
    Adam sah ihn so groß an, als wäre ihm sogar egal, wenn er im nächsten Moment erblindete.
    Žazmuri oči!
    Adam zitterte am ganzen Körper.
    Mach die Augen zu, Elender!
    Adam weinte und schaute.
    Rumänisch und serbisch habe ich es nur zum Spaß gesagt, lachte der Fremde. Ich mache gerne Späße! Das habe ich gründlich gelernt, weil man auch mit mir viele Späße gemacht hat, bis ich so weit gekommen bin! Einmal, vor hundert oder zweihundertzehn Jahren, wann genau fällt mir gerade nicht ein, hat man mir zum Spaß das Herz herausgeschnitten. Ich habe es mir mit knapper Not zurückgeholt.
    Was ist denn das für ein Spaß, gnädiger Herr?!, flüsterte Adam.
    Ein schöner Spaß, gab der Fremde zurück, doch ich habe das Gefühl, er hat dir nicht besonders gefallen.
    Du hättest mir fast das Genick gebrochen!
    Hör mal her, du Hänfling, du Lilienstengel … egal, was du auch bist, es geht hier darum, was ich bin! Ich heiße Nero Koszta, röchelte ihm der Mann ins Gesicht, dann leckte er ihm die Tränen aus den Augen. Große, starke Hände betasteten und drückten seinen Körper, machten mit ihm Bekanntschaft, untersuchten und prüften ihn.
    Sie heißen Nero Koszta, gnädiger Herr, flüsterte Adam, und der Fremde nickte zufrieden, als gefiele es ihm, dass er sich bereits Respekt verschafft hatte. Er setzte eine wichtige Miene auf.
    Ich verrate dir ein Geheimnis! Mich gibt es gar nicht!, flüsterte er und blickte siegestrunken um sich, wie einer, der durch die Wände von Ställen und Gebäuden, durch Rosenvorhänge und Regenbogen hindurchblickt, bis hinunter zur Theiß. Wie einer, den man nicht betrügen, nicht austricksen oder aufs Glatteis führen kann.
    Es gibt Sie gar nicht, gnädiger Herr, sagte das Kind

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