Blumenfresser
saß nur im Fenster, zitterte und machte sich nicht bemerkbar. Er wusste, sie würden ihm ohnehin nicht helfen. Er lehnte an der Mauer und träumte, Speichel rann ihm aus dem Mund. Seine Gastgeber kehrten am nächsten Tag zurück, und als das Boot gegen die Hausmauer stieß, sahen sie, dass er im Fenster saß und mit blauen Lippen an einem Brotkanten nagte. Vor Schreck schimpften sie, schrien ihn auf Deutsch an, und er, der gar nicht alles verstand, wunderte sich über sie, offenbar war ihre Bestürzung so groß, dass sie ihn so schrecklich ausschimpften, ein schnurrbärtiger Herr erhob sogar die Hand gegen ihn. Doch als sie im Boot saßen, verständigten sie sich nur noch schreiend. Adam bekam hohes Fieber, jeden Tag kam ein großgewachsener, krummer Arzt ins Haus. Manchmal stahl sich Julia Frikker ins Zimmer und streckte ihm die Zunge heraus. Und die Pester Schwaben schickten ihn bald wieder nach Szeged zurück, als wollten sie sich von ihren Sünden befreien.
Tante Berta, die Schwester eines entfernten Verwandten seines Vaters, nahm Adam unter ihre Fittiche, eine dicke, gemütliche Frau, die schnaufte und japste; Fleisch und Nudeln ließ sie immer anbrennen, doch ihr Pudding schmeckte vorzüglich. Nur zögernd quartierte sich Tante Berta im Pallagi-Haus ein, doch bald begann sie mit einer Selbstverständlichkeit Ordnung zu schaffen, als wäre sie in dem Haus geboren. Adam war überrascht, dass es ihr in geradezu verletzendem Maße an Selbstbewusstsein mangelte. Aber vielleicht war das gut so. Tante Berta weinte nicht, bedauerte ihn nicht. Sie stahl, wie es entfernte Verwandte häufig tun, besser gesagt, sie stibitzte hier und da, verkaufte einige Kleinigkeiten, Gläser, Kämme mit Silberstiel, die Lederschuhe deutscher Machart, die seinem Vater gehört hatten, ein, zwei Jacken, Überzieher. Er sah wortlos zu. Hier war eine geschliffene Vase verschwunden, dort ein Tintenfass, auch der Kerzenhalter, der auf der Kommode die Arme ausgebreitet hatte, war nicht mehr da, doch die Plünderei störte Adam nicht, er fand es schön. Die Tante war ständig mit Räumereien beschäftigt, sie gestaltete die Zimmer sorgfältig um, Zeichnungen von Vater und Mutter ließ sie in der hintersten Schublade verschwinden und stellte ihre eigenen Tuschzeichnungen und Aquarelle auf die Kommode. Tante Berta war dick und süß. Kein Zweifel, ihr Körper war mit Puderzucker bestäubt worden, mit ihren Worten wehte ihm allmorgendlich eine Puderzuckerwolke ins Gesicht. Sie drückte Adam an sich und flüsterte, den Kopf an seiner Schulter.
Armer, armer Junge!
Armer kleiner Adam!
Doch sie sagte es mit glücklicher Stimme, und der Junge schnaufte staunend in ihrer Umarmung.
Tante Berta erzählte viel von Napoleon und Metternich, von Wien. Sie erklärte ihm, dass Frauen Engel ohne Flügel sind und Männer nur genügend Tobak in ihrer Dose haben müssen, um zufrieden zu sein. Eines Tages kam der Junge ins Wohnzimmer, als die Tante auf dem Sofa lag und sich streichelte. Sie wandte ihm das Gesicht zu und bewegte die Finger unter den Falten des Rocks ein wenig schneller. Adam wusste nicht, was er tun sollte, schließlich setzte er sich auf den Stuhl neben der Tür, ließ die Hände, wie es sich gehörte, auf den Schenkeln ruhen und wartete. Tante Berta sah ihn auch weiterhin an, über ihr hing ein Bild, das verschont geblieben war, Adam wusste, dass sein Vater diese Zeichnung gemocht hatte, manchmal hatte er gesagt, die Gestalt darauf sehe so aus wie Doktor Schütz. Ein trauriger Feldherr auf dem Schlachtfeld, umgeben von Verletzten und Toten, seine Züge erinnerten tatsächlich an Doktor Schütz. Tante Berta stöhnte immer lauter. Adam dachte, sie werde gleich sterben, da sah er die gewaltigen Schenkel, denn sie hatte ihren Rock höher geschoben. Tante Berta starb nicht, doch sie hickste so heftig, dass sogar Adam erschrak.
Du könntest Tante Berta ein Glas Wasser bringen, sagte sie, als es vorbei war.
Streu ein bisschen Zucker hinein!, rief sie ihm nach.
Als er sich an einem Wochenende auf den Weg zum Gut machte, wurden in der Stadt bereits Straßen gepflastert. Er schaffte es nicht bis zum Pallagi-Gehöft, vielleicht wollte er auch gar nicht. Dabei war er den ganzen Vormittag unterwegs gewesen, der Riemen seiner Sandale hatte ihm den Fuß wundgescheuert, so dass er wütend wurde und sie fortwarf. Die Feldflur glühte, am flimmernden Horizont sah er Himmelsreiter galoppieren. Der Schweiß brannte ihm in den Augen, am Grabenrand wogte ein
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