Blumenfresser
bereits fort, Adam kratzte mit der Spitze seines Taschenmessers auf dem Tisch herum. Schubert ärgerte sich,dass er nichts mitgenommen hatte von dem Wrack. Adam hob den Kopf: Warum soll denn das Dampfschiff ein Wrack gewesen sein?!
Das war es aber, ein Wrack, nickte Kigl.
Es war kein Wrack, Kigl!, sagte Adam leise, es konnte schwimmen, du hast es gesehen.
Kigl blinzelte in die Gegend, als erwarte er Hilfe, doch die anderen hatten Adam gar nicht gehört.
Das war es aber, beharrte er, ein totes Schiff.
Willst du dich schlagen?, fragte Adam.
Kigl schloss die Augen und schüttelte den Kopf, prügeln wollte er sich auf keinen Fall. Adam griff in die Jackentasche. Erleichtert ertastete er das Haarband. Rindviecher! Dummköpfe! Blöde Hornochsen! Er überließ sie sich selbst, er hatte genug gehört. Als er sich umwandte, sah er, dass Kigl ihm nachblickte und den Kopf schüttelte. Dunkelheit umhüllte ihn, in den ausgestorbenen Straßen begleitete ihn das Heulen der Hunde. Adam ging Richtung Palánkviertel, hin und wieder erklang aus der Ferne der sonore Ruf eines Betrunkenen, am Ufer brannten noch die Fackeln.
Endlich hatte er das Haus gefunden. Hier wohnte das Mädchen, das ihm vor einiger Zeit aufgefallen war, vor ein paar Wochen oder Monaten, das wusste er nicht mehr genau, hier jedenfalls wohnte sie, das Mädchen, das Klara hieß und nun hinter einem der Fenster im Bett lag und schlief. Dieses Schiff musste verbrennen! Klara schlief, und sicher lag ihr schimmernder Arm auf der Decke. Sicher atmete sie mit offenen Lippen. Sicher seufzte sie im Schlaf und redete, redete, redete. Lange stand er vor dem schwarzen, stummen Gebäude, als er auf einmal spürte, dass jemand hinter ihm war.
Nero Koszta grinste spöttisch.
Dann hob er den Arm über den Kopf und begann zu tanzen.
Hei, hei, heißassa, hei, hei, heißassa!
Auch Neros Begleiter tanzten, ein dickes Frauenzimmer, ein Kerl mit groben Gesichtszügen und wurmartigen Bewegungenund ein leichter, magerer Mann, sie hatten sich die Nacht übergezogen wie einen mit Sternen gemusterten Mantel und sangen leise.
Adam wartete, bis sie fertig waren.
Ja, ja, diese Person wird mich sehen, flüsterte Adam ihnen zu, und deutete mit der Stirn auf das Fenster. Er tastete nach dem Band und schlenderte, die Hände in den Taschen, nach Hause. Tante Berta war noch wach, sie hatte auf ihn gewartet. Herausfordernd sah er ihr in die Augen. Sie traute sich schon lange nicht mehr, ihn zu fragen, wo er gewesen war, was er gemacht hatte. Es war Nacht, in der Wohnung mischte sich der Geruch von angebranntem Fleisch mit dem Duft von Pudding.
Wenn sie mich doch endlich, endlich bemerken würde!
So verflucht schwer hatte er es sich nicht vorgestellt. Würde er Klara auf der Straße einfach entgegentreten und sie berühren, würde sie sicher nicht wissen, was sie sagen sollte. Sie würde ihn höchstens zerstreut ansehen und schnell weitergehen. Wie gut Adam diese teilnahmslosen Blicke kannte! Sie begleiteten ihn durchs Leben. Es hatte auch keinen Sinn, Klara zu packen, sie festzuhalten. Sie würde nicht wissen, wer sie gekränkt hatte, sie würde es nicht begreifen. Vielleicht könnte er ihr sogar die Kleider herunterreißen, handgreiflich werden, ohne dass es Folgen hätte. Leise und unbeteiligt spielte die Grasmusik. In seiner Ohnmacht knirschte Adam mit den Zähnen, stieß sich das Messer in die Hand und ließ das Blut auf den Tisch des Kaffeehauses tropfen, in dem er gerade saß. Er wechselte den Tisch und beobachtete, was passieren würde, wenn jemand sein Blut entdeckte, doch alle, die sich nach ihm an dem Tisch niederließen, ob es gestandene Männer, Politiker, serbische oder jüdische Händler oder großmäulige Jünglinge waren, keiner beachtete die Tropfen zwischen den Gewürzstreuern. Er warf einen Stein in ein Fenster, lief aber nicht fort, sondern betrachtete das milde Unverständnis der Hausbewohner, sie prüften die kaputte Scheibe, sammelten die Scherben ein und holten den Glaser. Den in der Nähe stehenden Adam bemerkten sie gar nicht. Wie er lebte, was für Pläne er hatte, interessierte niemanden, nicht einmal Julika Frikker und vielleicht auch nicht das fiebernde Mädchen, das an einem Morgen bei Frau Léni gestorben war.
Er wollte wirklich nicht viel. Nur das, woran auch andere teilhatten. Er wollte jemandem fehlen. Er wollte wehtun, er sehnte sich danach, dass man Angst um ihn hatte, sich über ihn freute und, wenn es sein musste, böse auf ihn war, doch wenn er
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