Blumenfresser
schlug ihr Herz so heftig, dass zu befürchten war, es könnte herausspringen. Adam neigte sich wieder über ihren Mund.
Nicht sterben, sagte er.
Ich weiß nicht, wie man leben soll, flüsterte sie, und Adam spürte, wie ihre aufgesprungenen, trockenen Lippen ihm fast den Mund verletzten. Keuchend biss sie auf ihm herum.
Iss davon, flüsterte er dem rissigen, heißen Mund zu.
Ich esse, flüsterte das Mädchen.
Am nächsten Tag fuhren sie ins Nachbardorf, nach Dorozsma, um sich mit den dortigen Jungen anzulegen, und natürlich sprach nachher im Krug niemand von Adams Taten, obwohl er es war, der den gegnerischen Anführer, einen ungeschlachten Kerl, der zuvor Schubert die Nase gebrochen und Barcs in den Schlamm gestoßen hatte, mit der Zaunlatte auf den Kopf schlug. Eine Zeitlang beteuerte Adam, dass er genauso gestohlen und geprügelt und sich an dem Abenteuer beteiligt hatte wie seine Freunde, doch er begegnete nur unwilligen Blicken.
Schon gut, wenn er dabei gewesen sei, dann sei er eben dabei gewesen.
Man brauche nicht so viel Aufhebens davon zu machen!
Wenn er zugeschlagen habe, dann habe er halt zugeschlagen, brummte der sommersprossige Kigl, der sehr stolz auf den Beruf seines Vaters war. Vielleicht sah er auch ein wenig auf die anderen herab. Jenő Barcs schniefte gelangweilt, Schubert blickte in die Ferne und drückte an seiner geschwollenen Nase herum, Dani Pukker spielte mit seinem Messer. Salamon lächelte und legte den Kopf schief, er mischte sich nicht ein, überhaupt redete er nicht viel. Er blies seinen Zeigefinger an. Adam verstummte, an diesem Tag sagte er nichts mehr. Der Abend hatte sich herabgesenkt, es war schon spät und langsam Zeit, sich auf den Heimweg zu machen. Als sich die Jungen trennten, klopfte Salamon, der bei seiner Geburt so klein gewesen war, dass man die Beschneidung verschieben musste, Adam auf die Schulter.
Manchmal sehen wir nicht das, was zu sehen ist, sagte er.
Sondern was?, fragte Adam.
Etwas anderes. Jedenfalls nie das, was wir gerne hätten, Salamon zuckte mit den Achseln.
Denn was wir gerne hätten, fragte Adam nachdenklich, das existiert nicht?
Wenn du es wirklich gerne hättest, dann wird es niemals existieren.
Niemals?!
Du wirst schon sehen, Salamon nickte, das Kinn sprang spitz aus seinem Gesicht hervor, als wäre er bereits Rabbi. Mit der Zeit beruhigte sich Adam und wollte nicht mehr, dass die anderen seine Gefühle, seine Enttäuschung oder seine Wut kannten, und von da an achtete er im Grunde nur noch auf sich selbst. Er machte bei den Abenteuern mit wie bisher, es interessierte ihn nicht, ob er gesehen wurde oder nicht, doch seine Streiche wurden immer riskanter, als wüsste er noch immer nicht, dass man auch Angst haben konnte. Er hatte das Gefühl, was auch immer er tat, niemand würde gegen ihn aussagen. Das Gefühl trog nicht. Wenn die Jungen zur Rechenschaft gezogen wurden, erinnerte sich niemand an Adam.
Das Schiff hieß Klara.
Pukker prahlte, dass er einmal mit seinem Onkel, der während der ganzen Reise geflirtet habe, von Pressburg nach Pest gereist sei. Schubert erzählte, wie Széchenyi mit dem Dampfer in Szeged eintraf. Das Schiff des berühmten ungarischen Grafen sei viel größer gewesen als das da! Es habe auch eine Kanone gehabt! Pelsőczy, den Besitzer der Klara , kannte jeder in der Stadt, und die meisten hätten sich gewünscht, ihn nicht zu kennen. Salamon nickte, ein unglückseliger Jammerlappen, allen schuldete er Geld, auch ihnen.
Sie fassten den Entschluss, sich auf das Schiff zu stehlen und es zu untersuchen. Es musste im Schutz der Dunkelheit geschehen! Zuerst würden sie den Vater des kleinen Barcs, den Zollkommandanten, überreden, ein Auge zuzudrücken. Das war nicht leicht und forderte seinen Preis. In den folgenden Nächten wurde in der Stadt alles mögliche gestohlen, hier verschwand ein Sack Mohn, dort kamen Zwiebeln, Kartoffel, ein halbes Schwein abhanden. Ein Fuhrmann wurde auf dem Hauptplatz ausgeplündert, dabei waren Leute auf der Straße, doch den Täter, der den Betrunkenen in den Graben gestoßen und ihn um sein Geld, keine ganz kleine Summe erleichtert hatte, konnten sie nicht beschreiben. Der alte Barcs gab schließlich nach, er erlaubte den Jungen, aufs Schiff zu gehen, doch nur unter der Bedingung, dass sie nichts anrührten. Weder auf dem Schiff noch am Ufer! Wenn sie auch nur den geringsten Schaden anrichteten, würde er ihnen den Hals umdrehen und − fügte er nach kurzem Nachdenken hinzu − die
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