Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
Vom Netzwerk:
wieder nur an sich selbst, an dieses verlorene, kaum fassbare Wesen dachte, sah er rasch ein, dass dieser Wunsch eine Unmöglichkeit war.
    Die Welt war laut, wild und unempfindlich. Überall wurde herumgeschrien, auf den Straßen, in den Kaffeehäusern stritten sich die Bürger, sie schimpften auf Wien, sie schimpften auf die Serben und die Rumänen, sie zogen über die Juden her. Auch die Jungen schrien, schlugen auf den Tisch, nur er saß stumm da, ein Glas in der Hand, und spielte mit seinem Taschenmesser.
    Ich habe einmal eine Eidechse getötet, sagte er zu Kigl, der ihn verständnislos ansah und dann den Kopf schüttelte: Na und, dann hast du sie eben getötet.
    Salamon und Kigl fühlte er sich am nächsten von allen, doch auch sie sahen ihn nicht. Wie man vom Brot nur die Krümel sieht, so nahmen sie ihn wahr. Sie duldeten ihn, ertrugen ihn, mit gleichgültiger Großzügigkeit ließen sie ihn Teil ihres Lebens sein, während er stets ein Außenseiter blieb. Adam begriff, dass die Menschen, an deren Leben er Anteil hatte, nichts von ihm wollten, weder Freundschaft noch Liebe, weder Aufmerksamkeit noch Mitgefühl, und vielleicht ließ sich daran auch nichts ändern. Anfangs schien es ihm grauenhaft, dass sie keinerlei Wünsche hatten, die sie sich nur mit seiner Hilfe erfüllen konnten. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass irgendwer ihn einmal um etwas gebeten hätte! In fremden Häusern konnte er tun und lassen, was er wollte! Er konnte sich unter eine Gesellschaftmischen, am überreichlich gedeckten Tisch Platz nehmen und sich nach Belieben bei Gebratenem und Gebackenem bedienen, sich Wein und Likör einschenken, ohne dass ihn jemand fragte, wer ihn denn eingeladen habe, wessen Gast er sei. Oft betrat er Häuser, wo niemand daheim war, und wartete, wenn es ihm gerade passte, und der irgendwann eintreffende Hausherr stellte ihn nicht zur Rede, was er hier suche, warum er den Teppich schmutzig gemacht habe, im Gegenteil, man schob ihm einen Teller hin und unterhielt sich mit ihm, um ihn dann wie einen alten Bekannten zu verabschieden. Sowie er auf die Straße hinaustrat, hatte man ihn bereits vergessen. Das Schicksal anderer war in seiner Hand, während er sein eigenes nirgends finden konnte. Eines Tages ging ihm auf, dass er noch nie bei Doktor Schütz gewesen war. Also besuchte er ihn zu Hause, und wenn er später daran dachte, musste er von Herzen lachen, Besuch nannte er ein solches Eindringen, bei dem er nie stahl, er griff nicht einmal in einen Teller mit Bonbons oder in einen Korb mit Striezeln.
    Er wusste, weil darüber geredet wurde, dass der Doktor, seit seine Frau nicht mehr lebte und seine Tochter nach Wien gezogen war, an Einsamkeit litt. Staunend ging er durch die vollgestopfte Wohnung, in einer Ecke sah er eine Fotomaschine, in einer Metalldose fand er unzählige Skalpelle und medizinische Instrumente, auf einem Regal Wiener Porzellanfiguren, gläserne Reiter, Ballfiguren, Weinflaschen, Bleisoldaten, Alkohol, Landkarten und Messinstrumente. In einer Vitrine lagen Steine und Mineralien. Adam konnte kein Ordnungsprinzip erkennen, er entdeckte keine geheime Harmonie zwischen den angehäuften Dingen, fassungslos starrte er in die Fülle, die Gegenstände waren fern, sehr fern. Auch wenn er sie berührt hätte, sie wären doch nicht Sein gewesen. Niemals würde irgendetwas ihm gehören.
    Vielleicht machte der Arzt gerade Hausbesuche und der Dienstbote hatte einen freien Tag, vergebens schlug er mit einem Löffel gegen die rosa glänzende Porzellanvase, an das Horn des aufgemalten Einhorns, um mit dem Klang jemanden hervorzulocken. Adam machte es sich auf dem Sofa bequem, wartete mit übergeschlagenen Beinen, bis die Tür knarrte und der Doktor eintrat, der nicht im mindesten überrascht schien.
    Ich nehme an, du experimentierst, sagte er und holte ein Glas hervor.
    Adam lächelte, darüber bin ich schon hinaus, sagte er.
    Der Doktor wühlte in seinem Bart, Eisen, sagte er, du brauchst Eisen.
    Ich wollte, dass Sie wissen, dass ich hier gewesen bin, Herr Schütz!
    Das vergesse ich nicht, nickte der Doktor.
    Ich gehe zur Tür hinaus, und es gibt mich nicht mehr.
    Der Doktor seufzte gequält.
    Das glaube ich kaum.
    Auch die Verwandtschaft in Pest erinnert sich nicht an mich!
    Der Alte schwieg, Adam sah ein spöttisches Lächeln in seinen Mundwinkeln.
    Ich könnte Sie ausrauben!, rief er in plötzlichem Zorn, doch er wollte nicht drohen, und der grobe Ton tat ihm sofort leid. Er stand ruhig auf, nahm

Weitere Kostenlose Bücher