Blumenfresser
der Oberen Stadt, neben den Salzscheunen, auf eine Gruppe einheimischer Nationalgardisten. Die Soldaten waren in gereizter Stimmung, sie gerieten ohne Grund aneinander, schrien herum, liefen auf und ab, spuckten deftig aus und spähten zum anderen Ufer hinüber. Drüben herrschte Stille, die Serben hatten sich in südlichere Bereiche des Ufers zurückgezogen und zählten ihre Verluste. Auch einige Rauchschwaden waren zu erkennen. Adam hörte ein ploppendes Geräusch in der Nähe, vielleicht ein Korken, er roch den Schnaps. Als ihm die Flasche gereicht wurde, nahm auch er einen kräftigen Zug und hustete. Entgegen dem Befehl brachen die Nationalgardisten auf. Sie legten Latten und Bohlen vor sich auf das Eis und gelangten immer weiter auf den Fluss hinaus.
Adam sah ihnen zu, er hatte nicht die geringste Lust mitzumachen.
In dem Moment bemerkte er den Schwan.
So etwas hatte er noch nie gesehen, der Vogel war auf dem Eis festgefroren.
Auch einige seiner Kameraden machten sich auf den Weg, sie winkten den anderen, ebenfalls mitzukommen. Adam ging los, doch nicht, um ihnen zu folgen. Die ersten paar Schritte lief er, etwa zehn Meter vom Ufer entfernt fiel ihm ein, dass ein wenig Vorsicht nicht schaden konnte. Er wandte sich um, doch hinterihm kam niemand mehr. Etwa hundert Soldaten schoben sich vorwärts, einen Steinwurf von ihm entfernt. Doch er hatte keine Bohlen oder Bretter. Noch hätte er umkehren können.
Der Schwan schlug stumm mit den Flügeln.
Als Adam schon glaubte, er habe die Natur der Eisschollen und Blöcke erfasst und könne mühelos vorankommen, und als er den Vogel schon fast erreicht hatte, trat er daneben. Bis zu den Knien versank er im eisigen Wasser. Als er das Bein herausziehen wollte, wurde sein Fuß von den Eisschollen eingeklemmt, die sich aufeinander schoben. Verzweifelt versuchte er das Gleichgewicht zu halten, dann rutschte er bis zum Bauch ins Wasser. Ein größerer Eisblock bewegte sich auf ihn zu und drückte ihn gegen die Taille, mit solcher Kraft, dass es dunkel wurde um ihn her. Eine tiefe Ruhe überkam ihn, es war aus, er wusste es, Gott kehrte zurück, und Adam konnte ihm endlich in die Augen sehen. Es geschah ja nichts Schlimmes. Er starb nur. Eingeklemmt zwischen den Eisschollen, dümmlich lächelnd wie eine hilflose Puppe, so sah er sich daliegen. Ein scharfer Laut schreckte ihn auf. Schon wieder ein Vogel! Vor ihm trippelte eine bauchige Möwe, eine Spanne von seinem Gesicht entfernt, und starrte ihn, den Kopf zur Seite geneigt, aus kalten Knopfaugen an. Adam erschrak heftig. Dieses Mistvieh würde ihm die Augen aushacken! Er wollte brüllen, doch er konnte nur ächzen, das Eis presste ihm bereits den Brustkorb zusammen. Die Blöcke drehten sich mit ihm im Kreis, ein eisiger Strudel hatte ihn erfasst, anscheinend war er zwischen Holztrümmer geraten, die das Eis hinuntergedrückt hatte, mehrmals stieß er mit dem Fuß gegen etwas Hartes. Ein Schmerz lief sein Rückgrat entlang, und dieses fremde Gefühl brachte ihn in die Wirklichkeit zurück. Er sah den dunklen Streifen des Ufers von Szeged, jemand näherte sich. In einiger Entfernung liefen Frauen über das Eis. Röcke und Pelze schwebten, als wären sie hingemalt. Kreischen war zu hören, wildes Geschrei. Er lachte unter Stöhnen. Da hatte ihn das Eis schon wieder weggedreht, nun kam das andere Ufer in den Blick, unter dem umkippenden, geradezu ausgebeultenHimmel sah er, dass die Soldaten es glücklich erreicht hatten und sich, noch auf die Nachzügler wartend, zum Angriff bereitmachten. Wieder hörte er den scharfen Laut, die Möwe hackte nach seinen Augen, der Schnabel traf ihn an der Stirn. Dunkles lief ihm auf die Wimpern, er blutete. Ein leichter, jäher Schatten über seinem Kopf rettete ihn. Die Möwe hüpfte gelangweilt zur Seite und flog davon. Im nächsten Moment stand Klara an ihrer Stelle.
Du hast mich nicht gerufen, sagte sie leise und vorwurfsvoll.
Ich habe dich nicht gerufen, er klapperte mit den Zähnen, jetzt spürte er wirklich nichts mehr. Weder Beine noch Körper.
Du hast nicht einmal an mich gedacht.
Und ob ich an dich gedacht habe!
Warum hast du mich dann nicht gerufen?
Ich habe immer gedacht, du siehst mich ohnehin nicht. Doch jetzt bin ich glücklich. Ich such dir deine Hüte, keuchte er.
Auch mein Vater ist im Fluss ertrunken, sagte Klara. Und unser Dampfschiff, unser wunderschönes Dampfschiff ist im Fluss versunken, träumerisch sah sie zum Ufer, ihr Blick suchte unwillkürlich die Stelle,
Weitere Kostenlose Bücher