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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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wo das Schiff vor Anker gelegen hatte.
    Das war ich, stöhnte Adam auf, das ist alles meinetwegen geschehen.
    Ich verstehe nicht, schüttelte Klara den Kopf, was ist deinetwegen geschehen!
    Ich habe dein Schiff vernichtet, Klara, ich war es!
    Sie lachte unbefangen auf.
    Glaubst du, das weiß ich nicht?!
    Du weißt es?!
    Ich danke dir dafür.
    Adam schämte sich so sehr, dass ihm die Tränen kamen. Er schloss die Augen und ließ es zu, dass er noch tiefer, bis zum Hals ins Wasser glitt.
    Seine am stadtseitigen Ufer gebliebenen Kameraden retteten ihn im letzten Moment. Sie zogen ihn mit der Spitzhacke heraus und schleppten ihn auf einem Brett ans Ufer. Ein alter Mann gabihm heißen Tee zu trinken und streichelte seine blutige Stirn. Adam hatte geglaubt, bereits bei der Hexeninsel zu treiben. Dabei hat er sich mit dem Eis gar nicht bewegt, keinen Fußbreit war er vom Fleck gekommen.
    Wieder wurde aus der Stadt geschossen, und am Ufer, als wäre es eine biblische Szene, stand mit ihren langen Ästen eine gewaltige Pappel in Flammen. Die Kanonen der Stadt donnerten wieder, und nun trafen die Geschosse ihr Ziel. Überall krachte und dröhnte es, das Eis trug Schmerzensschreie und Todesröcheln ans Ufer. Die Serben antworteten nicht mehr, sie waren bereits auf der Flucht und ließen ihre Habe und ihre Waffen zurück. Am anderen Ufer drangen die Nationalgardisten der Oberen Stadt in den Hof des Rathauses ein und metzelten die wenigen Verteidiger nieder, um dann weiter flussabwärts zu stürmen.
    Szeged war davongekommen.
    Adam hatte Fieber, sein Körper brannte. Manchmal öffneten sich seine Augen weit, seine Gedanken wurden klar, ihm fiel wieder ein, was passiert war. Klara war zu ihm gekommen, hatte ihn gesucht. Sie hatte ihn gerettet! Um ihn herum jammerten, stöhnten und beteten Leute. In den klaren Momenten seines Bewusstseins mühte er sich vergeblich festzustellen, wo er sich befand. Vielleicht war es Morgen, und dieses seltsame, abgehackte Knarren stammte von den Wagen der Marktleute. Jetzt rief jemand, und das war ein Vogellaut, und nun läuteten Glocken. Wie seltsam dieses Läuten, als wären die Glocken aus Glas! Manchmal versuchte er, um sich zu schauen. Die Schwelle des halbdunklen Raumes glänzte, die offene Tür knarrte, wenn der Luftzug sie bewegte. Wieder hörte er Laute, Rufe, dann beugte sich ein braunes Gesicht über ihn, musterte ihn eine Weile und lächelte.
    Weißt du, wer ich bin?
    Adam bejahte mit den Augen, er brachte kein Wort heraus.
    Soll ich dich mitnehmen?
    Wohin?
    Zu uns!
    Er schloss die Augen und griff kraftlos nach der Hand, die sich auf den Bettrand stützte.
    Salamon war in einem der hinteren Räume des Krankenhauses der Unteren Stadt auf Adam gestoßen, dort wurden die als unrettbar eingestuften Verwundeten versorgt. Fast wäre er über eine bei der Tür abgestellte Tragbahre gestürzt, und als er aufsah, bemerkte er ihn. Salamon war von seinen Glaubensbrüdern beauftragt worden, jüdische Verwundete zu suchen, und als er Adam entdeckte, nahm er ihn ohne einen Moment zu überlegen mit zu sich nach Hause. Bei ihnen zählte man das Jahr 5609, sie waren im Monat Adar, hatten den Tag von Moses’ Geburt und Tod bereits gefeiert, und auch das Esther-Fasten, bei dem sie sich daran erinnerten, dass man das gesamte Judentum hatte ausrotten wollen, lag schon hinter ihnen. Und wenngleich bei den Ausgaben Zurückhaltung angebracht war, hatten sie an den Vortagen ordentlich eingekauft. Viel Geld hatten sie ausgegeben, weil es sich an diesem Tag des Jahres so gehörte, zu prassen und zu genießen, sich den Wanst vollzuschlagen, Geschichten zu erzählen, sich zu amüsieren.
    Adam kam an Purim zu Salamons Familie, das Haus stand einen Steinwurf vom Bethaus entfernt, aus dem Fenster konnte man gut sehen, wer darauf zuging. Sein Freund veranlasste mit eiligen Worten das Nötige, er beruhigte Mutter, Vater und die tuschelnden Schwestern, sie sollten sich keine Sorgen machen, weil er einen verwundeten jungen Ungarn mit nach Hause brachte. Braten- und Gebäckduft erfüllte die Räume, die Familie bereitete sich auf das festliche Abendessen vor. Salamon legte dem Vater den Arm um die Schulter.
    Vater, genug des Trübsinns, sagte er weich, doch der alte Armin drehte sich weg und starrte mürrisch vor sich hin. Salamons Vater hatte einige Monate zuvor eine Schmach erlitten. Seit dem Besuch Kossuths im Oktober war der alte Mann nur noch ein Schatten seiner selbst, er litt an Schwermut und brach häufig in

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