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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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Vorschein, und dass er nach Alkohol roch, ist bezeugt. Seine Frau Hagar schwärmte für ihn, sie war bereits mit dem fünften Kind schwanger, und würde es wieder ein Junge werden, Dereras Selbstgefälligkeit wäre kaum mehr zu bremsen. Bereits nach der ersten Geburt hatte er versichert, er werde nur Söhne haben. Und so geschah es auch.
    Dass Derera sich seit Tagen mit barbarischen Zahnschmerzen herumschlug, war stadtbekannt, eine ganze Woche lang sah er aus, als hätte er ein Brötchen in die linke Backe gesteckt. Zum Arzt zu gehen wagte er nicht, Derera war jemand, der den Arzt erst dann aufsuchte, wenn er sich wieder halbwegs gesund fühlte, doch bis dahin lamentierte er ohne Ende. Auch jetzt litt er lieber, quälte sich, bis am Samstag die Lage sich so sehr zuspitzte, dass mehrere Leute vor Dereras Haus stehenblieben und zu ihm hineinriefen, hol den Arzt, Derera, an einem gezogenen Zahn stirbt man nicht!
    Am Nachmittag wurde es still.
    Als Salamons Vater am nächsten Tag beiläufig fragte, wie er denn seinen entzündeten Zahn losgeworden sei, der ihm solche Torturen bereitet habe, rückte Ignác Derera, dessen Züge sich geglättet hatten, seine Kopfbedeckung zurecht, blickte versonnen vor sich hin, um ihn schließlich aus seinen durchdringend blauen Augen direkt anzusehen und Doktor Schütz’ Namen zu nennen. Der deutsche Arzt habe ihm den verdammten Zahn gezogen, er sei so nett gewesen, zu ihm ins Haus zu kommen und ihm zu helfen.
    Zu dieser Zeit waren die Juden von Szeged schlecht auf die Deutschen von Szeged zu sprechen. Und natürlich verstand man unter einem Deutschen genauso einen Wiener oder einen Sachsen oder Schwaben wie einen Zylinderträger aus Berlin. Die Juden waren zu Recht über die Deutschen von Szeged erbost, weil sie bei der Rekrutierung der Nationalgardekompanien als erste erklärt hatten, dass sie keine jüdischen Revolutionäre brauchen konnten. Begeisterte, Kokarden tragende junge Juden wurden aus ihren Reihen gestoßen. Und Verwandte, die aus fernen Gegenden des Landes kamen, erzählten von ähnlichen Pogromen und Gewalttaten.
    Doktor Schütz hatte Derera wirklich besucht, dafür gab es Zeugen wie den armen, dann im Wahnsinn des Oktobers erschlagenen Reb Reich, doch das Gebrüll war schon vor der Visite verstummt, und auch für diesen beunruhigenden Umstand gab es Zeugen.
    Folglich war rund um Dereras löchrigen Zahn keineswegs alles in Ordnung, und hierzu befragte Armin Mózes auch Doktor Schütz.
    Nun, Herr Sekretär, wenn der Zahn nicht mehr an seinem Platz ist, hat ihn wohl jemand herausgerissen, brummte der Doktor und sah an Armin Mózes vorbei.
    Die Frage ist doch nicht, wo der Zahn ist, sondern wer ihn am Sabbat gezogen hat! Andersgläubige konnten das tun, doch Ignác Derera selbst auf gar keinen Fall!
    Hauptsache, der Kranke ist genesen, lächelte der Doktor.
    Die Hauptsache ist das Gesetz, antwortete Armin Mózes streng.
    Schon richtig, Reb Mózes, aber kennt denn das Gesetz den Schmerz, der ja dem Menschen ein wirklich naher Bekannter ist?
    Das sehen Sie falsch, Doktor, es ist immer der schwache Mensch, welcher der Heiligkeit des Gesetzes Schmerzen verursacht!
    Aber das Gesetz wird doch von Menschen gemacht!
    Dem Menschen ist sowohl das Gesetz als auch der Schmerz gegeben!
    Nun, uns wurde auch die Heilmethode gegeben, erwiderteDoktor Schütz, um dann hinzuzufügen, erklären Sie nur ruhig die Welt, Reb Armin, und ich mache ihre Fehler gut.
    Oho, das ist aber ein verhängnisvoller Irrtum! Ich erkläre das Gesetz nicht, ich lege es aus! Was Sie gutmachen, verschlimmert sich wieder. Dagegen bleibt die Wahrheit, die ich finde, für immer die Wahrheit!
    So diskutierten die beiden, der deutsche Arzt und der jüdische Referent, und vielleicht hatten sie sogar Spaß an dieser Art von Meinungsverschiedenheit.
    Was an jenem Samstag im Oktober geschah, war dagegen weder anregend noch angenehm. Salamons Vater starrte die Menschen an, die sich in seinem Haus drängten, seine Kraft schwand, Nebel legte sich über seine Augen. Schließlich sank er am Tisch nieder, er gab nach und schrieb mit seiner verschnörkelten Schönschrift die Eingabe.
    Samstagvormittag, und er schrieb!
    Danach betrachtete er lange seine Hände, sein runzeliges Gesicht war tränennass, schließlich spuckte er seine Finger an und schlug mit der Faust gegen die Tischplatte. Auch Gleichnisse sprechen davon, dass du lieber etwas Schlechtes tun sollst, wenn du auf diese Weise vermeiden kannst, wirklich schlecht zu werden.

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