Blumenfresser
denn der Grasmusikant zog ihr die Seelewie ein Tuch aus dem Leib und hielt sie ans Licht, doch auch die bibberte nur, wie eine an den Zaun gehängte Schafslunge. Japsend ließ die Frau es zu, dass die Lust sie überkam, Schaum rann ihr aufs Kinn, stöhnend hob und senkte sie das Becken. Doch Nero, dieses Aas, war nicht befriedigt! Der Musikant versuchte in ihrem Schoß wenigstens ein bisschen Behagen zu finden, dann sah er ein, dass dort absolut nichts Gutes vorhanden war, und wenn es zwischen diesen Schenkeln irgendwann einmal ein Aufflackern gegeben haben mochte, so war das lange her, seitdem war dieser Schoß verdorben, sein Licht gestohlen, seine Wärme vergeudet. Nero Koszta kam nicht wieder. Die Brennnesseln am Grabenrand zitterten nicht, die Pappeln der Straße bogen sich nicht. Nur die Mücken summten, der Vorhang blieb unbewegt, das Gras musizierte nicht, Margits Gesicht schwamm in Tränen, es fehlte ihr, das Aas.
Das Vieh fehlte ihr.
Grasvieh, Gesumme, Vieh, Vieh, Vieh!
Die Verliebten
Sie hatten gerade die Tür hinter sich geschlossen, da hörten sie es klirren. Klara hielt die Klinke noch in der Hand, sie mochte es, das kühle Metall zu spüren, doch jetzt war etwas Schlimmes passiert, Mutter lag im Salon auf dem Teppich, die Scherben des Glaskrugs um sie herum. Klara griff nach einer abgerissenen Rosenblüte und legte sie sich ans Gesicht. Die Mutter war kreidebleich, ihre Hand zitterte wie eine Taube mit gebrochenem Flügel. Sie besprengten ihr Gesicht mit Wasser, hielten ihr Salmiakgeist unter die Nase, umsonst, sie kam nicht zu sich. Doktor Schütz brummte und schüttelte den Kopf, auch am nächsten Tag stellte er keine Diagnose. Vielleicht eine allgemeine Schwäche, murmelte er, als sie allein waren. Pelsőczy machte Licht, schüttelte eine leere Flasche, sprach mit sich selbst. Das Problem scheint mir eher seelischer Natur, murmelte der Doktor, er kramte inseiner Tasche nach einem Beruhigungsmittel. Pelsőczy schenkte Likör in zwei Schnapsgläser, seines leerte er sofort, er vergaß mit dem Doktor anzustoßen. Klara saß seit Stunden neben der Mutter und starrte auf das kalkweiße Gesicht und die aufgesprungenen Lippen. Sie streichelte ihr die Stirn, plötzlich riss sie die Finger zurück, als hätte sie in glühende Asche gegriffen.
Werde auch ich einmal so trocken und unfroh, so einsam und ausgeliefert sein?!
Die Kranke bewegte sich nicht, das Mädchen stand auf und wollte aus dem Zimmer gehen.
Wohin fliehst du?, hauchte die Frau, ohne die Augen zu öffnen.
Klara hielt inne, wandte sich aber nicht um. Ich fliehe nicht. Ich muss weinen.
Weine hier bei mir, flüsterte die Mutter.
Nein, das Mädchen schüttelte den Kopf, nein! Ich will nicht, dass du es siehst, Mutter.
Herr Schütz hatte mit den neuesten Heilpulvern und -pflanzen keinen Erfolg, Margit war nicht bereit, die Medikamente einzunehmen. Sie war glücklich, lag im Sterben, schlief selten, ihr Blick leuchtete in die Nacht hinaus. Eines Morgens entsagte sie den Worten, nein, hauchte sie, dann noch einmal, nein. Schnee fiel, die Welt zerfiel zu Flocken. Klara beugte sich über sie und lauschte, doch die Mutter schwieg. Am Morgen begann Regen niederzuprasseln, es wurde warm, und das Wasser auf dem Dach stotterte Geständnisse seiner Sünden. Klara wischte oft mit einem eisigen Lappen über die heiße Stirn, es wäre leichter gewesen, hätte die Mutter irgendeinen Wunsch gehabt. Doch Margit wollte weder leichte Nahrung noch frische Luft. Sie wollte nichts über die Welt wissen, die sie nicht aufgenommen hatte, und hätte sie sprechen können, hätte sie vielleicht gesagt, dass noch nie etwas Schöneres mit ihr geschehen sei. Klara verstand sie. Eines Nachmittags lächelte die Mutter ihr zu, griff nach ihrer Hand und schloss die Augen, lange verharrten sie so. Schließlich wurden die von Zuckungen begleiteten Anfälle immer häufiger. Klara hatte von Doktor Schütz gelernt, der Mutter einen Löffel zwischen die Zähne zu klemmen, damit sie sich die Zunge nicht abbiss.
Der Arzt lehnte wartend im Türrahmen, er hatte seine Ledertasche schon geschlossen, Klaras Vater würfelte auf dem Couchtisch. Das Porzellan glänzte im Nachmittagslicht, die Wanduhr tickte, der Soldat war schon längst heiser geworden, über dem Tischchen mit den Blumen tanzte der Staub. Klara nickte nach jedem dritten Atemzug.
Sie lebt noch.
Sie lebt immer noch!
Sie lebt, sie lebt, sie lebt!
Der Tod hatte sich so nahe an sie herangeschlichen, dass Angst zu haben
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