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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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vorbei, der Luftzug, den die Tierleiber erzeugten, war heiß. Erneut fand er sich in einem Krieg wieder, auf einem von Kanonenkugeln gepflügten, weiten Feld, auf dem die sich flink bewegenden Angreifer und Verteidiger, ihre Schatten und Nebelgestalten gut zu unterscheiden waren. Ihm war, als wäre er betrunken. Er sah alles und war dennoch nicht hier. Ein Krieg, ohne Zweifel. Sonst war er in Wohnungen und Feierlichkeiten eingedrungen, nun war er hier, von niemandem eingeladen. Niemand suchte ihn, und er suchte niemanden. Eine Explosion warf ihm Erde ins Gesicht, er spürte die Schollen, den bitteren Geschmack des hasserfüllten Metalls, er spuckte aus, rang nach Atem, fiel auf die Knie. Er erbrach sich, ein wenig wurde ihm besser.
    Alles ist da, dachte er und wagte nicht zurückzublicken, es wäre fürchterlich, wenn er dann das Gesicht von Wurzelmama nicht sähe. Alles ist da, niemand hat mich verlassen, dachte er, dann rutschte er aus und stürzte neben einen röchelnden Soldaten, der mit den Armen ruderte, als wolle er wegfliegen. Er bemühte sich, den Unglücklichen zu beruhigen, griff in pulsierende Wärme und war voller Blut. Er rappelte sich auf, ein herrenloses Pferd, in dessen Flanke eine gewaltige Wunde gähnte, hätte ihn fast niedergetrampelt. Etwas pfiff an seiner Stirn vorbei. Ein Schlag traf ihn, wieder wurde ihm schwindelig, er stolperte weiter. Jemand brüllte ihm ins Gesicht, Speichel spritzte ihm in die Augen.
    Es würde sein wie eine Geburt.
    Alles vergeht und alles bleibt. Sie werden nichts über das Haus wissen, wo ich gewohnt habe. Sie werden nichts über den Körper wissen, in dem ich gelebt habe, und nichts über die Seele, die mich dirigiert hat. Sie vergessen mich, dabei haben sie mich einst an eine Mauer aus Erde genagelt. Sie vergessen mich, dabei hätte auch ich sie töten können. Sie vergessen mich, und ich bleibe ihnen wie eine geheime Wunde. Sie wussten nichts mit mir anzufangen, und ich habe im Leben auch nichts anderes gewollt. Ich werde nur fehlen, und dieses Fehlen wird meine Welt sein.
    Ein Körper fiel auf ihn, der Soldat war tot, das ungläubige Lächeln festgefroren. Er stieß ihn zur Seite und rappelte sich auf. Vor ihm schwankte ein gewaltiges, bekanntes Gesicht.
    Der Riese! Eine Offiziersuniform schlotterte um die mächtige Gestalt, sie war ihr fast noch zu groß. Der Mann keuchte pfeifend. Er sah aus wie Nero Koszta, ganz genau so. Hatte er sich umgekleidet? Innerhalb eines Augenblicks?! Sein Mund war schorfig.
    Mein Herz, beruhige dich, jetzt brauchst du wirklich keine Angst zu haben!
    So atme ich, das denke ich, das bin ich! Sieh doch, das ist mein Gesicht! Hörst du, mein Herz, hab keine Angst mehr!
    Wieder wurden sie mitgerissen, jemand zog ihn hinter sich her, doch er schälte die Finger von seinem Arm, sein Blick suchte nur den anderen. Da war der Ungeschlachte schon, über Stock und Stein rannte er auf ihn zu und trampelte dabei über Lebende und Tote. Adam wandte sich ihm zu und sah alles, weil er es so wollte.
    Er sah das Eisen blitzen.
    Bist du es, Nero Koszta, wirst du mich töten?!
    Vielleicht gibt es tatsächlich so einen Moment, wo unser ganzes Leben nur Erinnerung ist, wo alles noch vorhanden ist, doch nichts mehr existiert. Das Leben ist noch nicht vollkommen vorbei, doch es existiert schon nicht mehr. Und wenn der Augenblick gekommen ist, wie staunen wir, dass wir gestorben sind. Auch das ist uns ja schon passiert, auch der letzte, dunkle Moment hat sich schon in allen bisherigen verborgen, war immer schon in uns vorhanden. Der Riese stach zu. Etwas knirschte, vielleicht war das an seiner Hüfte befestigte Glas mit dem Formaldehyd zerbrochen. Dieses Aas hatte direkt auf seinen Bauch gezielt. Und mit einem grässlichen Ächzen stieß er neuerlich zu. Das Metall war sehr kalt, es war gänzlich in ihm, vielleicht stak die Spitze aus seinem Rücken heraus. Es drehte sich in seinem Leib, wie die Zeit. Das war ja gar kein so schlimmes Gefühl. Den Riesen schien das Entsetzen gepackt zu haben, vor dem Grauen oder vor ihm, er stand nur da, hatte das Bajonett schon zurückgezogen, Blut tropfte herab.
    Adam griff sich an den Bauch, komm, mein Herz, gehen wir. Wozu das Staunen?! Wenn es mehr nicht war, wozu dann staunen?! Er spürte Wärme am Hals, genau dort, wo Nero Koszta einst zugedrückt hatte, irgendwann einmal, gestern, vor ein paar Augenblicken. Und diese Wunde löste sich von ihm, sie wurde zur Blüte.
    Er sackte zusammen, es war eigenartig, weder

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