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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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ihre Gedanken von den Winden durcheinandergewirbelt wurden, sondern er empfand auch starke und ernsthafte Gefühle für sie. Einmal hatte er sie sogar beim Wasserlassen belauscht. Schön gelb war die Pisse des kleinen, lieblichen Weibes gewesen, und wie gut sie roch!
    Als im Juli das Munitionslager am Ufer von Neu-Szeged mit einem fürchterlichen Donnerschlag in die Luft flog, tauchte die Frau sogleich zwischen den Trümmern auf, als wäre sie direkt aus dem Rauch gekommen. Und was tat die Unglückselige?! Sie suchte nach ihrem Kind, dem umgekommenen, nach ihm scharrte, nach ihm rief sie! Obwohl das seltsam war, denn sie suchte zwar ihre Tochter, nur war diese nie größer geworden als eine dickere Bohne. Und die Wahrheit ist, dass auch die Suchende zu dem Zeitpunkt nicht mehr lebte. Sie war tot, vollkommen tot! Und dennoch lief sie auf dem Trümmerfeld herum und suchte ihr Kind, das man ihr weggenommen, gestohlen, entrissen hatte. Eine Tote suchte eine Tote, und diese Situation gefiel Nero Koszta ausnehmend, zudem war die kreischendePerson ein ansehnliches Geschöpf. Deshalb hatte er sie damals heimlich beobachtet, hatte für sie getanzt und musiziert, ihr ins Ohr geflüstert und in den Schoß gebrüllt, wie sehr sie ihm gefalle, mit ihrer Erlaubnis würde er sie gerne vögeln, oder wie das heißt. Doch sie hatte immer nur geantwortet, dass ihr Kind eine schöne Stimme gehabt habe, eine Stimme mit Glockenklang, und sie höre sie immer noch.
    Wie hat dein Kind geheißen, Frauensperson?!
    Struwwelmadonna, du Aas im Pelz!
    Das Mädchen konnte nur singen, zumindest behauptete das die Frau im Reich der Lebenden, der Toten, der Märchen und des Schweigens. Das Mädchen ist ihr weggenommen, gestohlen, entrissen worden! Aber, aber, es ist gar nicht gestohlen worden, sondern man hatte es ihr aus dem Leib geschnitten, mit einem weiß glänzenden Skalpell aus ihrer ausgekühlten, unglücklichen Gebärmutter gekratzt! Nero Koszta nickte, das wusste er alles, wie er auch schon gehört hatte, dass das Weib deklamieren, tanzen, singen konnte, weil sie Schauspielerin gewesen war, als sie noch lebte. Dann war sie gestorben, ihr Mund, ihre Nägel waren blau geworden, und seitdem suchte sie ihre kleine Tochter, langsam könnte sie draufkommen, weil auch die Toten denken, dass sie am falschen Ort suchte.
    Als Nero Koszta das alles zu Ende gedacht hatte, wiegte sich Wurzelmama vor ihm und legte los.
    Ich freue mich, dir mitteilen zu können, dass wir eine Frau für dich gefunden haben, Nero Koszta!
    Der Grasmusiker rieb sich die Augen.
    Soll doch das Jagdmesser des Belgrader Oberhenkers schartig werden! Wer hat denn eure illustre Bande um eine solche barmherzige Tat gebeten?!, brüllte er mit gespielter Wut. Ich finde mir selbst eine Frau, wenn ich es für gut befinde! Wie viele Weiber habe ich schon gefunden, seit meine lieben Landsleutchen am Ufer der Donau den Kolo tanzen!, er warf sich stolz in die Brust.
    Schließlich senkte er den Kopf, als schäme er sich.
    Denn das magere Geschöpf, das da vor ihm stand, zitterte.Nero blinzelte und musste grinsen. Ach, wie gut gefiel ihm die verrückte kleine Schauspielerin.
    Nero, Nero, sieh dich an, in deiner Hose ist ein Laubbaum gewachsen!
    Das Weib ist verrückt und außerdem Ungarin, brummte Nero.
    Er schielte auf die Frau, die neben ihnen stand, als sei sie sich darüber im klaren, dass besondere Dinge auf sie warteten, trotzdem gab sie sich bescheiden, senkte den Kopf, vielleicht, damit man nicht sah, wie verrückt sie war.
    Ach Nero, du bist Serbe und selbst verrückt!, lächelte Herr Blatt und sah einer handtellergroßen Libelle nach, die gegen das nahe Eichenwäldchen davonschwirrte. Auf der Lichtung war es still, auch der Geruch des Laubs stieg nicht höher als ein Menschengesicht.
    Hör mal, Bruder Blatt, wieso soll ich verrückt sein?! Beleidige mich nicht! Wer mich beleidigt, bereut es immer, merk dir das! Weißt du, was mit Viorel aus Turnu Severin passiert ist, der es wagte, meine Kunst zu kritisieren?! Ein Heuschober hat ihn erdrückt, dann ist er in die Erde gepflügt worden, nur seine Zähne kamen wieder zum Vorschein, und die sind vom Wind bis zum Schwarzen Meer verblasen worden! Halt deine Zunge im Zaum, verrückt bin ich noch lange nicht!
    Du bist verrückt, weil du Serbe bist und weil du seit fünfhundert Jahren mit Gras Musik machst!, kicherte Herr Wurm.
    Das ist nicht zu bestreiten, brummte Nero Koszta, doch ich habe meine Macht schon abgegeben, das könntet ihr wissen.

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