Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
Vom Netzwerk:
Volkes vortragen könne, wo er doch weder erzählen noch schöne Lügen auftischen konnte. Auch die Zigeunerbraut wird, wenn der Freier kommt, oben und unten gewaschen, rot geschminkt und geschmückt, dachte der Woiwode Gilagóg, klopfte seine Pfeife aus und ging achselzuckend in sein Zelt. Und Nero Koszta liebte immer noch.
    An seinem Schreibtisch machte sich Imre Schön in schwankendem Kerzenlicht Notizen, manchmal blickte er auf, dachte nach, um dann mit schmerzlichem Hohn auf dem Gesicht weiter Sätze aufs Papier zu werfen, und Nero Koszta liebte immer noch.
    Herr Schütz hantierte mit seinen Steinen, blinzelte pfiffig in ihr Glitzern hinein, er tauchte sie in Licht, betrachtete die Welt durch eine Lupe und ein Prisma und lachte wiehernd, lachte und lachte, und Nero Koszta liebte immer noch.
    Langsam wurden sie, der verrückte Serbe und die verrückte Ungarin, wie die Erde. Aus süßer, schwarzer Erde war ihr Rücken und ihr Bauch, sie wurden wie das unter der Stadt schlafende, zeitlose Gestein, wie von wer weiß welchen Bergen stammende Felsen, sie wurden wie das Ufer des Flusses, sie wurden wie die Rinde der Bäume in der Feldflur, vom vielen Lieben wurde das Gesicht der Frau wie der Himmel, in dessen Wasser die Wolken vielleicht einmal eilig dahingeschwommen waren, jetzt aber nur noch stillstanden. Sie wurden wie der Winterfrost, die glasige Endlosigkeit rund um die Stadt, sie wurden wie das Leben.
    Endlich konnten sie sich in der Welt verlieren, endlich konnten sie eins werden mitsamt ihrer Verrücktheit und Rastlosigkeit.
    Es wurde Morgen, und im herbstlichen Dunst hätte jeder Spitzel oder Chronist sie bereits vergeblich gesucht, es gab sie nicht mehr. Nero Koszta war mit seiner Liebsten in die Tiefe der Erde übersiedelt – er, der den letzten Grashalm des blutbesudelten Felds von Kosovo Polje nach Szeged mitgebracht hatte und dem keine Macht die Haut abziehen, ihn verbrennen, rädern, aufhängen konnte, Torturen, die Grasmusikanten so häufig erleiden. Der Serbe liebte in der Erde, er stieß in den Schoß der Frau, die nichts und niemand mehr war, nur Verrücktheit, wenn auch eine um nichts größere als die sehnsüchtige, unstillbar hungrige Verrücktheit ihres Gemahls.

Süßes Fleisch

Die gescheiterte Existenz
    Du bist eine gescheiterte Existenz!
    Wie oft war ihm, nach einer durchtobten Nacht erwachend, dieser alkoholschwangere Satz aus der Kehle gedrungen. Er schlug heftig auf den Tisch, tanzte darauf, sang aus vollem Halse, flüsterte der Kneipenwirtin falsche Komplimente in den Nacken − seine Seele lechzte verzweifelt nach Erleichterung. Die Welt sah einen lauten, provokanten Kerl, der seine Tränen schallend verlachte, um gleich darauf in Löwengebrüll auszubrechen. Manche meinten vielleicht, sein Leben habe etwas Wildromantisches, dabei ließ ihn das Gefühl nie los, er sei zum Leiden verurteilt. Schon auf Erden leckte das Höllenfeuer an ihm, in seinem großen, kräftigen Körper hauste das Leiden, und seine Seele war ein Feuer, das sich selbst verzehrt. Im bitteren Scherz − denn Späße über sich selbst machte er auch noch in seinen dunkelsten Momenten −, erklärte er, sein Elend sei dem Leiden von Hiob und Jesus beziehungsweise Pascha Hóbiárt verwandt, und wenn einer aus der zusammengewürfelten Runde den Mut fand, sich zu erkundigen, um wen es sich bei Pascha Hóbiárt denn handele, knurrte er zufrieden, besagter Herr habe als türkischer Pascha in Szeged residiert und sei, weil er ihnen mehr als einmal Gewalt angetan habe, von den ortsansässigen Damen erschlagen worden. Mit Holzpantoffeln, fügte er hinzu und nahm das aufbrandende Gelächter befriedigt zur Kenntnis.
    Selbst wenn er genug Geld hatte, kein Kater ihn quälte und seine Kleidung den höchsten Ansprüchen genügte, lief er, wenn ihm die Gefühle der Verlorenheit Klötze an die Seele gehängt hatten, mit sich mehr und mehr verdüsternder Miene durch die Straßen der jeweiligen Stadt, die genauso gut Wien wie Pest oder Prag heißen konnte. Die Straßen wurden zu dunklen Gässchen,die Dieben und Strichmädchen Unterschlupf boten. Je näher er einer Lasterhöhle kam, um so stärker hoffte er, dass seine Sünden durch eine, vielleicht mehrere gute Taten getilgt werden könnten. Besonders mochte er es, wie er angestarrt wurde, wenn er eine Gasthaustür aufriss. Es wird still, die Anwesenden wenden sich ihm zu, im Luftzug wirbelt der Rauch wie ein abgerissener Vorhang. Zart drängt er den jungen Taschendieb zur Seite, droht

Weitere Kostenlose Bücher