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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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seiner Umarmung verlangte.
    Anna Szabics machte keinerlei Anstrengungen, ihr Leben zu retten. Peter stand neben dem Körper, der leblos im Gras lag. Ihr Kopf war zur Seite gefallen, aus dem Mund sickerte Blut.
    Mutter!, flüsterte er, und weil sie nicht antwortete und auch nicht zu atmen schien, rief er den Bruder. Imre steckte den Kopf aus dem Fliederbusch und rannte herbei. Menschen liefen zusammen, Anna Szabics wurde sofort ins Spital gebracht, ein Bekannter begleitete die Jungen nach Hause. Niemand war daheim, Stille lag über dem Haus, sie machten kein Licht, auf dem Dachboden knarrten Geister, Peter saß reglos da, während Imre, als ginge es ihn nichts an, was passiert war, mit seinen Käfern und Blumen herumpusselte. Am Abend pochten die gemessenen Schritte des Vaters über die schwarzen Holzplanken vor dem Haus. Er machte Licht, befahl die Jungen herbei, sie standen wie auf das Urteil wartende Verbrecher nebeneinander. Die Strenge des Vaters war unerbittlich, er war ein berühmter Lehrer, eine landesweit bekannte Autorität, ein Freund wissenschaftlicher Zirkel, und wenn er am Nachmittag auf dem Hauptplatz spazierenging, grüßten die Leute beflissen, doch zuHause war er ein Tyrann. Antal Schön machte seinen Spaziergang bis ans Ende der Kárász-Straße, kehrte um und ging, ohne das Tempo seiner Schritte zu verändern, denselben Weg wieder nach Hause. Jahre hindurch immer die gleiche Strecke, niemals wich er davon ab, niemals ein Schritt mehr! Die Mutter lachte ihn aus, zog ihn am Schnurrbart, dann färbte ein kindliches Lächeln seine Züge, er wurde rot.
    Eure Mutter hat schwere Verletzungen erlitten, knurrte er. Imre blinzelte zur Lampe hinauf, das Licht hatte einen Falter angelockt. Seine Hand wurde feucht, er wischte sie am Hosenbein ab.
    Du weißt, was passiert ist! Der Satz des Vaters zielte auf Peter, er hätte beinahe aufgeschrien. Natürlich wieder er! Als traue man nur ihm etwas Böses zu! Sein Bruder wurde nie gefragt, dabei war er älter. Und während er das finstere Gesicht des Vaters musterte, begriff er, dass er fortan lügen musste, nicht nur, was diesen Unglücksfall betraf, sondern immer und ewig. Wenn er es nicht tat, wurde er unterdrückt und entrechtet. Er übertrieb, weil er ein Kind war, mit den Tränen kämpfend leugnete er, etwas Schlimmes angestellt zu haben.
    Habt ihr einen Fremden in der Umgebung gesehen?
    Sie schüttelten den Kopf, Imre warf einen Blick auf Peter, nein, niemanden, und unverhofft akzeptierte der Vater die Auskunft der Kinder, er schickte sie ins Bett, nicht einmal waschen mussten sie sich, unter der Decke verfluchte Peter die Welt.
    Die Mutter erinnerte sich an nichts. Nachdem sie im Krankenhaus zu sich gekommen war, wurde sie mit einer ausgepolsterten Mietdroschke im Schritttempo heimgebracht, Doktor Schütz, der neue Hausarzt, sah sich die Jungen genau an und verbot ihnen, sich der Kranken zu nähern. Eure Mutter braucht Ruhe, sagte er, sein Lächeln war zudringlich, fast schadenfroh.
    Am nächsten Tag stahl sich Peter zur Mutter hinein und bat sie weinend, ihm seine Grobheit zu vergeben. Wieder drückte er sie an sich, bevor er zur Besinnung kam. Wie durch ein Tuch flüsterte sie ihm zu, ach, wovon redest du, mein Kleiner?! Ausihrem smaragdgrünen Blick strahlte Kälte. Wie würde es wohltun, gestreichelt zu werden, doch die Hand lag reglos auf der Decke. Sie seufzte, Schmerz verzerrte ihre Züge. Zwei Rippen waren gebrochen, drei angeknackst. Er dachte entsetzt, dass ihn die Mutter, während er sie fast zu Tode umarmt hatte, gar nicht gesehen hatte! Und auch jetzt sah sie ihn nicht! Das war seine Strafe, dass er innerhalb eines Tages fast getötet, gelogen und geflucht hatte. Und damit es mit den Selbstvorwürfen nicht genug war, ergriff der Bruder ihn am Abend am Arm.
    Du musst wissen, Kleiner, ich habe alles gesehen, sagte er mit der ekelhaften Überlegenheit älterer Jungen, und Peter verstand noch nach Tagen nicht, was das gewesen war: eine einfache Feststellung oder eine offene Drohung.

Peter wird an der Nase herumgeführt
    Bald wusste er im voraus, wie der Vater auf seine Streiche reagieren würde, er versuchte, sich in ihn hineinzuversetzen, er lernte ihn wie eine Lektion, prägte sich seine langweiligen Prinzipien und staubigen Gedanken ein, und sie fraßen ihm die Seele auf. Sein Vater verbreitete Schimmel und Langeweile um sich. Er betrachtete ihn als leichte Beute. Sein Körper war beinahe schon der eines Erwachsenen, während sein Gemüt noch

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