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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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Hause warteten, und seltsamerweise hätte er auch den Vater gern wiedergesehen, dennoch entschied er sich für den Ausflug nach Wien. Er ließ sich die Koteletten und den Schnurrbart wachsen, um älter auszusehen. Unterdessen wurde Kaiser Franz zu Grabegetragen, der schwachsinnige, doch rechtschaffene Ferdinand folgte ihm nach, Fürst Metternich hielt den Herrscher am Gängelband wie eine Marionette.
    Wien wurde Peter vom Frühling des Jahres fünfunddreißig dargeboten, hingerissen streifte er durch die Stadt, die ihn bevorzugte und verwöhnte, ihn auf Händen trug, als wäre er ein vornehmer Gast. Er wanderte ohne Ziel durch die Straßen, die ansteigenden Gassen, die Plätze, er sog die Luft ein, in der sich der Duft von Krapfen, Salzstangerln, Kaffee und Lindenblüten mit Kanalgestank mischte. Er wusste, er würde diesen Geruch nie vergessen und irgendwann einmal hierher zurückkehren, und das würde eine triumphale Zeit werden. Nicht weit vom grün wogenden Meer des Praters, in einer schmalen stillen Seitengasse fand er das Mietshaus von Frau Sperl. Das klobige Gebäude war verwahrlost, aus dem Keller drang der penetrante Gestank einer Lederwerkstatt, im Hof warb ein Buchbinder mit einer Tafel für sich, in einer Schneiderwerkstatt schnippten die Scheren; das Mietshaus glich einer kleinen, armseligen Fabrik, hier wohnten die notleidenden Wiener Bürger, die mit der Pracht des Reichs kaum mehr zu tun hatten als ein galizischer Jude oder ein ruthenischer Hungerleider. Am Sonntag legten aber auch sie ihre schönen Kleider an und gingen im Prater spazieren.
    Der junge Herr hat Glück mit dem Wetter, sagte Frau Sperl, die Frau des trunksüchtigen Hausmeisters. Haben Sie davon gehört, dass Wien sich eines besonderen Klimas rühmen kann? Die Kälte ist nicht so kalt wie anderswo, und auch die Hitze quält die Menschen nicht so wie in der Wüste. Beobachten Sie nur, wie die Winde wehen, wie die Besenhaare des Regens fallen! Nur mit Schnee können wir leider nicht dienen.
    Worin aber dieser Unterschied bestand, war ihm vorläufig nicht klar. Peter nickte beständig und fragte sich, wem diese alterslose, weder schöne noch hässliche Frau ähnlich sah. Sie hatte ein wenig einen Pferdekopf, bewegte sich flink, sogar mit dem vollen Wassereimer, vielleicht weil sie jung war. Peter zerbrachsich vergeblich den Kopf, er kam nicht dahinter, mit wem sie Ähnlichkeit hatte. Hingegen zeigte sich bald, dass ihr Mann ein unangenehmer Geselle war.
    Auf der Straße ergriff ihn der Buchbinder beim Arm, ein kleiner Mann mit traurigem Gesicht. Seien Sie vorsichtig mit ihm!
    Er wird mir doch nichts tun wollen? Peter lächelte.
    Ein Spitzel!, flüsterte der Buchbinder Hoffer, er machte eine ausladende Bewegung, mit der er auf ganz Wien deutete, hier ist jeder Hausmeister ein Spitzel!, und der grämliche Mann ging mit einem Kopfnicken weiter, er trug Pappdeckel und blaue Mappen, später erfuhr Peter, dass er in einer Epidemie seine ganze Familie verloren hatten, und auch ihn hatte man schon einmal vom Laternenmast geschnitten.
    Am nächsten Tag watschelte Sperl ihm entgegen und öffnete ihm das Tor. Es ging auf Mitternacht, er ließ dem Hausmeister das Sperrgeld in die feuchte Hand gleiten, der grinste und mauschelte ihm ins Ohr, der junge Herr solle sich vor dem Buchbinder Hoffer in Acht nehmen.
    Warum denn, Herr Sperl?
    Man darf ihm nicht vertrauen, wenn Sie mich verstehen!
    Sie wollen andeuten, dass der Herr Buchbinder eine zweifelhafte Gestalt ist?
    Ein Spitzel, antwortete Sperl und rülpste Weingeruch.
    Peter bedankte sich für den Rat, und wenn ihm der arme Buchbinder über den Weg lief, sagte er ihm das genaue Gegenteil dessen, was er Sperl gesagt hatte. Sollten sie nur in Verwirrung geraten.
    Man musste Frau Sperl recht geben, der Wiener Frühling war ein einzigartiges Phänomen! Den Frühling hatte er schon in Szeged, in der Nyírgegend und in Pest erlebt, doch so etwas noch nicht. Auf dem Judenplatz, nicht weit von dem Haus, in dem Mozart sein erstes Wiener Konzert gegeben hatte, zog er ein nach Likör riechendes, heftig hicksendes Dienstmädchen unter die Arkaden. Er umarmte sie so, dass sie vor Glück winselte. Auf der Kärntner Straße lachte er wie ein Idiot, sein Gedröhn verschreckte die Tauben. Soldaten liefen herbei, doch vielleicht spürten sie, dass er nicht gefährlich war, sie stutzten und überließen ihn sich selbst, er winkte ihnen zu. Die weißen Hausmauern blendeten, Engel und Teufelsköpfe verhöhnten das

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