Blumenfresser
war wie ein Adamsapfel?! Mit wessen Billigung geschah das?! Unnütze Fragen, doch sie bäumten sich auf, wenn einem das Elend ins Gesicht schlug. Peter spuckte aus, dass ihm die Kehle wehtat. Ein kleines Kind am Grabenrand lachte, es streckte die Hand aus, er warf ihm Geld hin. Der Kutscher, ein dicker Mann mit Schnurrbart, paffte seine Zigarre und wartete. Peter streifte sich den Matsch von den Stiefeln, nahm wieder auf dem Ledersitz Platz und ließ sich zum Stephansdom zurückfahren. Auf dem Platz, Frau Sperl hatte ihn auch in diese Besonderheit eingeweiht, blies immer der Wind, und er musste zugeben, dass sie wieder einmal recht hatte, denn zwischen den Palais, den Mietshäusern und Schaufensterfronten strich auch jetzt ein Lüftchen wie ein karamellfarbener Schleier. Auf einer Kaffeehausterrasse spürte er auch bei ruhigem Wetter den Luftzug, der von keinem geheimnisvollen Spalt im Menschenwerk der Häuser verursacht wurde. Der um den Dom herumstreichende Wind, der im Herzen wehtat, redete von einer inneren Kluft. Peter brach der Schweiß aus, er musste durch die Straßen rennen, um sich zu beruhigen.
Er schrieb dem Vater und Imre, schickte der Wüstenblume eine schmucke Ansichtskarte, wie schön es wäre, mit ihr Walzer zu tanzen. Im neuen Postamt der Stadt gab er die Briefe auf, ein roter Stempel kam auf die Umschläge, er verfolgte, wie sie in den geflochtenen Korb wanderten. Und von dort, dachte er, würden sie auf den Tisch des Zensors gelangen, der vielleicht überlegte, was das bedeutete – »der Wind, der über uns hinwegweht, teureZsófia, kann sowohl reinigen als auch Schmutz mit sich bringen …«
Mein Mann sagt, und er ist wirklich klug, beteuerte Frau Sperl, unsere Stadt ist der kräftige Herzschlag der Monarchie.
Peter zählte die Miete ab, die vereinbarungsgemäß stets am Wochenanfang zu begleichen war.
An jenem Montag trieb er sich zwischen den Zelten und Tischen des Tandelmarkts herum. Einen Trödelmarkt von solchen Ausmaßen hatte er noch nie gesehen. Wie viel Gefühl, wie viele nützliche und unnütze Dinge waren hier zusammengepfercht, wie viel Leben, Vergänglich- und Vergeblichkeit aufgehäuft! Er irrte zwischen Bündeln von Salatblättern, von Mäusen angenagten Büchern, Ansichtskarten, Mohnmühlen, Anzügen, Schleiern, Tüchern, Binokeln, Lupen, Pinzetten, falschen Perlen, Spielzeug und allen möglichen Werkzeugen umher. Zu jedem dieser ausgemusterten Gegenstände hatte einmal ein Leben gehört. Wo waren sie nun, diese vielen Leben?! Der Tandelmarkt war ein Friedhof, ein trauriger Ort, doch die Leute, die den Kram durchstöberten oder lizitierten, machten einen glücklichen Eindruck.
Haben Sie Dank für alles, Frau Sperl, sagte er und ließ ihr eine Perlenkette in die Hand gleiten. Er hatte sie auf dem Tandelmarkt gesehen und ohne langes Überlegen gekauft. Die Frau erstarrte. Er streichelte ihr das Gesicht.
Was … was wollen Sie von mir?!, stotterte sie.
Dass Sie sich an mich erinnern, liebe Frau Sperl!
Ich verstehe nicht, flüsterte sie.
Ich glaube, ich werde wiederkommen, sagte er und strich ihr über den Arm. Er neigte sich vor, ohne sie zu küssen, und verharrte lange in dieser Haltung. Auf einmal bemerkte er einen kleinen Jungen, der im Halbdunkel stand. Rätselhaft, wie er dorthin gekommen war, das Kind sah sie fortwährend an, um seine Mundwinkel spielte ein höhnisches Lächeln. Peter schob Frau Sperl von sich, die sich, als sie den Jungen erblickte, ans Herz griff, ach Karl, du spionierst schon wieder!
Es ist ja nichts geschehen, Peter entschlüpfte ein Lachen.
Nein, nein, es ist nichts geschehen, haspelte Frau Sperl, ihr Gesicht brannte wie Feuer.
Sagen wir Vater, dass nichts geschehen ist, nickte das Kind, es hatte eine liebe Stimme, weich und seidig.
Peter trat zu ihm und beugte sich hinunter.
Deine Mutter ist eine gute Frau, weißt du, sagte er und packte ihn an der Schulter, er drückte nicht stark; als dem Kind die Tränen kamen, ließ er los.
Na schön, knurrte Peter, sag deinem Vater, dass deine Mutter eine gute Frau ist! Mit diesen Worten ließ er sie allein und machte sich ans Packen. Er musste früh aufstehen, der Dampfer nach Pest ging um acht. Zwei Monate hatte er in Wien verbracht, sein Geld war aufgebraucht, dabei hatte er sich gar nicht mit Frauen eingelassen. Lieber dinierte er in besseren Lokalen, beobachtete die Umgangsformen, die Gesten der Kellner, das Ritual des Bestellens, wie man mit gutem Wein und Sekt umging. Auf der Heimreise reichte
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