Blumenfresser
unter die Sohlen des jüdischen Bankiers, dass er es gar nicht mitbekam. Wen es auf ein Amt verschlug, der konnte seine Angelegenheiten jetzt auch auf Ungarisch erledigen. Im Gasthaus von Frau Léni brummten serbische Händler in ihre Pelzkrägen, sie verdammten die erniedrigenden sprachlichen Neuerungen, ungarische Fuhrleute lächelten schadenfroh und prosteten ihnen zu. Auf dem Schreibtisch des Vaters erblickte Peter ein Exemplar von Kossuths Reichstagsberichten, er blätterte nur ein wenig darin, die Lektüre fesselte ihn nicht.
Am nächsten Tag traf er Doktor Schütz vor der Druckerei.
Menschen wie du, Peter, haben mehr Macht über das Leben anderer als gewöhnliche Sterbliche.
Ich verstehe nicht, Peter versuchte sich freizumachen, doch Herr Schütz hielt seinen Arm fest umklammert. Die Züge des Doktors verdüsterten sich.
Mein Sohn, schnarrte er, du musst besser aufpassen! Mit der Vorsicht fange bei dir selbst an! Ohne ein weiteres Wort eilte er davon.
Wer hat mir geholfen, vom Militär wegzukommen?, wandte Peter sich am Abend an den Vater. Der Lehrer hob sein zerknittertes Gesicht, er las in einem dicken Wälzer, seine Hand lag auf dem Papier, er schmatzte nachdenklich.
Doktor Schütz habe sich für ihn eingesetzt, er selbst wäre nicht einmal durch das Haupttor der Burg gekommen.
Anscheinend war der Doktor ein einflussreicher Mann. Wie eine Spinne webte er alle möglichen Netze, hinter seiner Liebenswürdigkeit hielt ein messerscharfer Verstand nach Fehlern, Vergehen und vergeltungswürdigen Verbrechen Ausschau. Peter hatte nicht vergessen, dass der Doktor ihn in das amouröse Geheimnis seines Vaters eingeweiht hatte, und offenbar nicht ohne Grund, der Doktor handelte nie unüberlegt. Aus einigen Kaffeehausgesprächen wusste Peter, dass der Doktor nicht nur bei den Deutschen von Szeged Sympathie genoss, die Ungarnschätzten ihn ebenso, und auch die Juden nahmen seine Dienste in Anspruch. Er hatte die Rückenschmerzen des Rabbi lindern können, den Gefäßkrampf eines armenischen Gewürzkrämers behandelt und die chronischen Kopfschmerzen der Frau des serbischen Schnittwarenhändlers geheilt.
Von Zsófia kam ein längerer Brief. Die Wüstenblume schrieb von großen Regenfällen, Sturzfluten, die vom Himmel herabkamen, Peter solle sich vorstellen, die Theiß spiele Ozean, ihr Gutshaus stehe wie eine Insel inmitten einer Wasserfläche. Dann trockneten warme Brisen die Fluren, und in der Umgebung glänzten kleine Teiche und Pfützen wie gewaltige Silbermünzen. In einer solchen Lache betrachtete Zsófia lange den sich spiegelnden Himmel, oben zogen Schwärme von Gänsen und Wildenten dahin, ein Raubvogel kreiste, die Wolken schwollen an und magerten ab, und wenn sie sich noch weiter vorbeugte, begegnete sie ihrem eigenen Blick. Narziss mochte so in das Wasser des arkadischen Baches gestarrt haben, doch sie, Zsófia, sei frei von der Sünde der Selbstverliebtheit!
Peter müsse wissen, wenn Gott und der Mensch sich nicht ineinander spiegeln, hätte das Leben keinen Sinn! Ob unser Handeln richtig oder falsch ist, in Gott wird es sichtbar. Auch der Mensch spiegelt sich in der Schöpfung, der Mensch spiegelt sich auch im Menschen, das heißt, in allem, was er hervorbringt, der Junge im Vater, das Mädchen in der Mutter, die Frau im Mann, der Mann in der Frau. Das Gute spiegelt sich im Schlechten, das Schlechte im Guten, nichts kann ohne sein Spiegelbild bestehen. Wir sprechen nur ein Wort, und es zerbricht in der Welt in tausend Stücke. Auch unser Spiegelbild ist unendlich! Sie hoffe sehr, schrieb Zsófia, dass Peter verstehe, warum sie ihm mit solchen Dingen komme.
Peter verstand es nicht.
Deshalb, schrieb Zsófia zum Abschluss, weil viele Menschen sich damit begnügen, durch Löcher und Schießscharten zu spähen! Sie aber brauche ein Panorama! Und wenn Peter noch immer nicht verstehe, was dieser Wunsch mit dem obigen zutun hat, so solle er daran denken, wie sie sich in ihm, in Peter sieht.
Er verstand sie ganz und gar nicht.
Er verstand sich ja auch selbst nicht. Gut, häufig grämte er sich, dass er eine gescheiterte Existenz war, niemand ihn richtig liebte und der Tod ständig um ihn herumschlich. Es hatte keinen Sinn, ehrgeizige Pläne zu schmieden, selbst wenn sie Erfolg hätten, könnte er nicht glücklich sein, weil sein Schicksal ihn verfolgte. Fast hätte er seine Mutter zu Tode umarmt! Diese zerstörerische Kraft hatte Doktor Schütz gemeint, als er ihn umständlich ermahnte.
Wird er einmal
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