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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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erwachten spät am Morgen und piepten nur. Salz ätzte die Gesichter der Schwarzstirnigen, sie bekamen Geschwüre, es juckte sie, Eiterbeulen peinigten sie, sie pinkelten Blut. Einige Tage später bat sie ein Fremder um Unterschlupf. Er machte einen anständigen Eindruck, hatte einen Bart und sprach auf geziemende Weise, brüllen konnte er auch, doch der Duft seines Körpers war beunruhigend. Die Hunde gebärdeten sich wietoll, und als er die Hand nach ihnen ausstreckte, kuschten sie winselnd. Die Mädchen wurden wortkarg, und wenn er nahe an sie herantrat, steckten sie die Fäuste zwischen die Schenkel. Die Kinder weinten, wenn er das Wort an sie richtete. Der Zauberer des Stammes, dessen Körper blau wurde, wenn er eine Lüge witterte, schnitt einem Hahn den Kopf ab und ließ ihn davonflattern, doch das aus dem Hahnenhals tropfende Blut fing er mit einem Fingerhut auf und trank es. Sogleich wurde sein Körper weiß, und sein zu einem Zopf geflochtenes Haar verwandelte sich in eine Schlange. Der Stamm hatte keinen Zweifel mehr, dass ihr Gast derjenige war, dem die übrigen Völker der Erde landauf, landab auf den Fersen waren. Gott hatte bei ihnen Zuflucht gesucht, vielleicht dachte er, hier würde man ihn am wenigsten suchen.
    Sie verrieten nicht, dass sie wussten, wer ihr Gast war. Gott schien weder besonders stark noch geistreich zu sein, und schon gar nicht wirkte er allmächtig, doch es war zweifelsfrei Gott, selbst wenn er schnarchte und im Schlaf aufschrie. Die Zigeuner konnten nicht schlafen, sie saßen unter dem Sternenhimmel, und während sie den Mond ansummten, dachten sie darüber nach, was Gottes Worte bedeuteten. Wie üblich gerieten sie in Streit, Messerklingen blitzten, einem Burschen wurde die Nase abgebissen, einem anderen ein Schürhaken in die Seite gestoßen. Sie zerstritten und versöhnten sich, weil ihre Wut ebenso schnell verflog wie ihre Freude. Gott stand am Morgen auf, und er war ihnen zu nichts nutze. Er konnte nicht hämmern und Pferde beschlagen, er konnte nicht musizieren, er konnte nicht stehlen, war vollkommen unmusikalisch, und wenn man ihm etwas auftrug, mit Weizenkörnern vermengte Erde sieben oder Hühner rupfen, zuckte er nur die Achseln, als wollte er sagen, diese Arbeit habe er deshalb den Zigeunern anvertraut, damit er sich nicht selbst damit abgeben müsse. Die Zigeuner zeigten es nicht, doch sie hatten Angst. Sie wussten, denn das hatte sie das Leben gelehrt, dass nach jedem Fremden ein weiterer Fremder kam. Wenn sie Glück hatten, dann war es die Mutter oderder Bruder des Fremden, doch meist hatten sie seinen Feind zu erwarten.
    Der Hauptmann der Häscher, die sie im Morgengrauen überfielen, ihre Zelte durchwühlten, Decken und Werkzeuge durcheinanderwarfen, trug eine rote Mütze wie der Teufel und hatte so große Stiefel, wie die Zigeuner noch nie welche gesehen hatten. Er suchte einen Fremden, der die Welt bestohlen hatte, Länder, Gewässer und sämtliche Könige hatte er bestohlen. Die Zigeuner hörten zu, zitternd vor Angst. Mit einem höhnischen Grinsen ging die Sonne auf. Im zottigen Bart des Hauptmanns krächzten Vögel.
    Warum suchen Sie ihn ausgerechnet bei uns?, fragten die Zigeuner flüsternd.
    Die Zigeuner sind ein diebisches Volk, und Dieb flüchtet sich zu Dieb!
    Der König der Zigeuner schüttelte den Kopf, Herr Hauptmann, der Dieb ist nicht des Diebes Freund.
    Das stimmte zwar nicht, klang aber gut.
    Der Hauptmann spuckte Nägel und kratzte sich mit einem Messer die Seite. Der Elende müsse hier sein, knurrte er, das sage ihm seine Mütze, das zwitscherten seine Vögel, deswegen wollten seine Stiefel nicht weitergehen. Es wurde still, nur ein Kind weinte, seiner Mutter versiegte vor Angst die Brust. Der Hauptmann teilte Befehle aus, die Soldaten trieben Jungen und Männer, junge Mütter, alte Frauen und Mädchen in eine Reihe, und welches Kind noch nicht laufen konnte, wurde von der Schwester gehalten, von der Mutter in die Arme geschlossen. Auch der König stand in der Reihe, und der Zauberer sah, dass ein kopfloser Hahn über ihnen kreiste und sein Blut auf sie tropfen ließ. Ein Ruf gellte, und alle wurden von Pfeilen durchbohrt, sämtliche Zigeuner wurden umgebracht.
    Die Soldaten zogen davon, die Erde staubte, ringsum zitterten Blutstropfen auf den Blättern der Sträucher. Alle waren tot, alle waren dahingegangen, auch der kleinste Wirbelwind, auch der stärkste Eisenschmied hatte die Seele ausgehaucht. DochGott war nicht gestorben. Er saß inmitten

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