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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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habe das Messer die Rippen verletzt, regelrecht daran geschnitzt, und der Knochen vergesse schwerer als das Fleisch. Und Peter wunderte sich, warum er nicht mehr als einen Nadelstich gespürt hatte. Der Doktor erklärte, der Schmerz werde ihm erhalten bleiben, auch wenn er manchmal nachlasse, Peter müsse sich darauf einstellen, dass diese Pein, obwohl als Gast gekommen, letztlich in seinem prächtigen Leib ein Zuhause gefunden habe, aus dem sie nie mehr ausziehen werde.
    Das soll ihm jetzt das ganze Leben lang wehtun?!, lachte Peter. Was für ein Blödsinn!
    Er glaubte nicht, dass es einen Schmerz geben konnte, mit dem er nicht fertig wurde. Richtig, sein Körper war ein Palast, also werde er den ungebetenen Gast selbst daraus vertreiben. Doch der Schmerz erwies sich als stärker, er versteckte sich in ihm, war tagelang verschwunden, dann zeigte er sich in voller Montur, wie eine fürchterliche Blume hatte er ein gewaltigesLaubwerk und weitverzweigte Wurzeln, deren kleinste Regung mit grauenhaften Qualen einherging. Die Ranken des Schmerzes reichten bis in seine Lenden hinab und wanden sich in den Nacken hinauf, und seine Schläfe pulsierte, dass ihm die Tränen kamen.
    Er warf sich auf sein Lager und trank Wein. Warum räusperte sich der Woiwode so vielsagend?! Lautlos tobte der Schnee, die Welt war tot, auf den Straßen patrouillierte Polizei, doch die Zigeunerhütte badete in Wärme, denn sie hatten Holz besorgt und mit Hilfe der aufopferungsvollen Margit auch Wein und Fleisch, zudem kuschte jetzt auch der Schmerz.
    Was ist denn, Woiwode?, fragte Peter.
    Die Worte wollen aus mir heraus, sagte Gilagóg, er legte Messer und Holzstück beiseite.
    Halt sie nicht zurück, rede! Peter trank abermals. Gilagóg warf Zweige in den Ofen und zog den Wagen in die Mitte des Zimmers. Er riss Habred die Decke weg, der Wahrhaftige grinste Peter an, der lustlos zurückwinkte. Der Woiwode schenkte sich ein, er trank mit gierigen Schlucken und wartete, dass Habred den Mund aufmachte.
    Gebt mir Geld, flüsterte der Wahrhaftige, und Gilagóg fing an zu erzählen, wobei er Wörter der Zigeunersprache, hin und wieder auch türkische und etwas tiefer klingende südslawische Wörter einstreute. Peter war erstaunt, er verstand ihn ausgezeichnet, erfasste jedes Wort der Erzählung.
    Die Geschichte handelte von dem Stamm, von den Zigeunern, die es von jenseits eines Nebels am Ende der Welt hierher verschlagen hatte. Längs der Karawanenwege hetzten einander Hunde mit den Knochen ihrer Toten im Maul, die Gräber wurden vergessen und ihre Erde vom Wind verblasen, sie begruben die Toten im Garten ihrer Herzen, eine Geschichte hatten sie nicht, denn die Vergangenheit war nicht ihr Schatten, sie rannte ihnen nicht hinterher, folgte ihnen nicht, sondern keuchte vor ihnen her, und sie jagten immer dem nach, was es bereits nicht mehr gab.
    Einmal aber haben sie Gott gerettet.
    Peter lächelte und streckte sich aus, sieh an, die Katze ist aus dem Sack.
    Die Kunde verbreitete sich, dass der Tag gekommen sei, die Welt wollte den Schöpfer vernichten, weil er sie schlecht erschaffen hatte. Schlecht waren der Morgenwind, der Regen, der Schnee, die Kälte und die Hitze, die Liebe war schändlich, weil sie einem anderen gehörte, das Geld war falsch, weil auch das Geld einem anderen gehörte, das Leben war nichts wert, es flackerte nur auf und verlosch sofort wieder. Der Tod wurde leichthin und grundlos ausgeteilt. Gott sollte sterben, und, wenn er konnte, auferstehen, um seinen Fehler wiedergutzumachen. So lautete das Urteil, und darin stimmten in Gold gekleidete Bischöfe mit spitzen Mützen und angesehene Derwische ebenso überein wie an ihrer Stummheit erstickende Walderemiten, die ihre Schwänze in Baumlöcher steckten, wenn es sie überkam. Am Himmel zogen schwere, schwarze Wolken dahin, und der Magen der Erde stieß mit beißendem Rauch auf.
    Jener Stamm, dessen König Gilagógs Urgroßvater war, die Schwarzstirnigen, hörte die schlechte Nachricht zuerst. Sie zogen in Gegenden umher, wo das Gras die Wolken am Bauch kitzelte und der Wind mit Hundestimme bellte. Eines Morgens kehrte ihr Späher hinkend und blutüberströmt ins Lager zurück, und bevor sein Blick brach, berichtete er stotternd, dass Bewaffnete die Gegend durchstreiften, jedes Dorf und jedes Haus durchwühlten auf der Suche nach Gott. Der hatte Wind davon bekommen und hielt sich versteckt. Die Sonne strahlte blasser, die Erde dröhnte dumpf, wenn auf ihr getanzt wurde. Die Vögel

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