Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
Vom Netzwerk:
schlimm ist. Der Tod ist mild und süß wie Honig. Man braucht keine Angst vor ihm zu haben. Er blickte um sich, die Zigeuner fürchten sich winselnd vor dem Tod.
    Von wessen Tod redest du, Woiwode?, fragte der Doktor.
    Ich weiß nicht, murmelte der Zigeuner. Er verstummte und sah auf seine dreckstarrenden Stiefel hinunter. Den bleigrauen Pfützen ausweichend trat der Doktor zu dem Wahrhaftigen,kramte einen Silbergulden aus seiner Westentasche und legte ihn Habred hin.
    Gebt mir Geld!
    Gebt mir Geld!, wiederholte der runzelige Säugling und sah nur den Doktor an, nein, der Silbergulden interessierte ihn nicht.

Somnakajs Entscheidung
    Schon seit Minuten stand sie neben dem Lager des Kranken. Somnakaj war gewachsen, sie hatte lange, dünne Arme, ihre Haut erinnerte an die Bräune der Kastanie, ihr Haar war zur Kohlenschwärze gereift, an ihren überlangen Wimpern blieben Robinienblätter hängen. Doktor Schütz hatte ihr empfohlen, sich mal wieder blicken zu lassen. Wann sei sie zuletzt bei ihrem Vater gewesen, das solle sie ihm verraten! Natürlich habe sie es bei der Familie Schön wirklich gut und könne ihr Glück preisen, dass sie bei so lieben Menschen untergekommen sei, aber häufiger besuchen könnte sie ihren Vater schon, der neuerdings außer Habred und seinem Hund kaum noch Gesellschaft habe. Doktor Schütz dachte, dass der Woiwode seiner Tochter nichts von seinen Problemen erzählt habe, denn Gilagóg war stolz bis in die Zehenspitzen, er würde sich schämen, sich zu beklagen, vielleicht gestand er es sich selbst nicht ein, dass sein Leben eine bittere Wendung genommen hatte. Jedenfalls schadete es nicht, wenn Somnakaj von den Veränderungen wusste. Ihr Vater war nun mal nicht mehr Stammesführer. Man ließ ihn in dem Glauben, dass er noch zu befehlen hatte, packte aber bereits alles anders an, sie spielten nur, dass er ihr Woiwode war!
    Das Mädchen wünschte den Doktor zum Teufel, er mischte sich in alles ein, erhob ständig kleinliche Einwände und kreischte, dass einem, wenn er endlich abgeschwirrt war, noch minutenlang der Kopf rauschte. Vor gut zwei Monaten, es war noch Herbst, ein goldfarbener, warmer, hatte Somnakaj ihremVater Fleisch, Milch und Obst gebracht. Einen ganzen Korb hatte sie aus der Speisekammer der Familie Schön vollgepackt, mit Klaras Erlaubnis selbstverständlich. Zwei Monate waren nicht lang! Sie würde den Vater schon besuchen, wenn Zeit dazu blieb! Doch sie hasste es, immer wieder in das Elend zurückzukehren, und dankte dem Himmel, dass sie nicht mehr dort leben musste. Wenn sie ihrem Gewissen gehorchte und sich auf den Weg nach Hause machte, lief sie eilig, mit gesenktem Kopf über die Planken, als würde sie sich schämen. Sie brauchte nur zwischen die windschiefen Hüttenwände zu treten, und schon fielen hungrige Zigeunerkinder über sie her, fassten sie an die Brust, betasteten ihren Schoß und bettelten, an ihrem Rock zerrend, um Geld. Die Frauen spuckten ihr vor die Füße, so sehr beneideten sie sie. Barka starrte sie an, ihre Lippen bewegten sich stumm, und Somnakaj wusste, dass sie sie verfluchte. Barka trug ihre Kinder aus, dann vertrocknete sie während der Wehen. Ihr Gesicht nahm das Aussehen eines leeren Troges an. Sie begann, einer Hexe zu gleichen, sie schnitt ihre krummen Nägel nicht, die winselnden Zwillinge hingen an ihren Brüsten. Die Ansiedlung versank im Schlamm, ein schwerer, stickiger Geruch lag in der Luft. Die Stadt war von einem Netz von Stegen und Planken durchzogen, doch in dieser Gegend reichte der hölzerne Weg nur bis zum letzten ungarischen Haus, und Somnakaj fand entweder einen trockenen Pfad, oder sie war vollkommen verdreckt, wenn sie bei den Kaluppen ankam.
    Die Zigeuner waren blind. Nein, sie waren nicht blind, doch sie sahen nur fremde Schatten, nur Feinde, sie sahen nur das, was sie stehlen wollten, sie hatten keine Augen und keine Blicke, dieses Volk war in den wallenden Kessel der Völker gefallen, ohne dass es ein richtiges Gesetz, eine Vergangenheit oder eine Zukunft bekommen hatte. Somnakaj hatte gesehen, dass aus jedem auch jemand anders werden konnte, doch der Zigeuner blieb bis zum Jüngsten Tag Zigeuner. Mit diesen Unglückseligen sollte sie in Verbindung bleiben?!
    In der Nacht hatte es gefroren, der erste Schnee war gefallen, und Somnakaj war zu der Ansiedlung hinausgewandert. Sie berührte das Gesicht des Verletzten, tastete die geschwollenen Lippen ab. Na, du Ungetüm! Du Ungeheuer von einem Menschen, das Frau Klara immer

Weitere Kostenlose Bücher