Blumenfresser
geheimer Mission nach Pest. Dann verschlug ihn das Schicksal in den schrecklichen Süden, von dort kam nur noch die Todesnachricht zurück, nach der Niederschlagung des Aufstands.
Armer Karl, armer Karl, flüsterte Peter.
Ach, mein armer Sohn, hickste Frau Sperl, sie zappelte ein wenig, keuchte, schwieg eine Weile, um dann leidenschaftlich aufzuseufzen.
So viel verrate ich noch, Herr Schön, dass ich einen geheimen Wohltäter habe!
Tatsächlich?, Peter setzte ihr wieder die Flasche an den Mund.
Diesen Wohltäter habe ich einmal gekränkt, mich gegen ihn vergangen, beim Sprechen blubberten die Worte, Wein floss ihr aus dem Mund. Ich hatte ihn lange nicht gesehen, als er mich aufsuchte und in Behandlung nahm.
In Behandlung?
Er ist ja Arzt! Denn es waren kaum die Cremes, die Bäder und die Turnübungen, die mich verwandelt haben! Innerhalb von zwei Monaten hat er meinen Körper ausgetauscht! Und ich bin nicht mehr Frau Sperl, sondern Kornelia! Verstehen Sie, Herr Schön?
Wer ist dieser geheimnisvolle Mann, wer ist Ihr Wohltäter?!
Einmal hat man ihn retten müssen. Er wollte sich aufknüpfen!
Das ist eine häufige Methode, seinem Leben ein Ende zu machen, sagte Peter und räusperte sich. Die Flasche war leer, er tastete nach der nächsten, da soll doch das Donnerwetter dreinschlagen!, dachte er, er hatte genug von Rätseln, Geheimnissen, Wohltätern und Tragödien.
Mein Wohltäter wurde gerettet!, flüsterte Frau Sperl, ihre Atmung beschleunigte sich.
Gott sei Dank!, knurrte Peter, jetzt bemerkte er, dass über ihren Köpfen eine Wanduhr ausdauernd schlug, er hätte Lust gehabt, sie herunterzureißen und bis zum Prater zu schleudern. Die Zeit verging nicht schnell genug! Am liebsten hätte er diese Frau Sperl oder Kornelia verprügelt! Wo war übrigens Zsófia?! Zsófia wollte er, Zsófia, Zsófia!
Trinken wir, Frau Sperl!, knurrte er.
Kornelia!, kreischte sie auf.
Schon gut, trinken Sie, Kornelia!, er hielt ihr die Flasche an die Lippen. Noch ein kräftiger Zug!, sie trank gehorsam.
Wer hat Ihnen meine Adresse gegeben, Herr Schön?! Wer hat es so eingerichtet, dass wir, Frau Sperl rülpste, Sie und ich einander gefunden haben?!
Wieso haben wir einander gefunden?!
So gut wie jetzt war es für mich noch nie, keuchte Frau Sperl.
Dass wir uns begegnet sind, ist ebenfalls ein Werk Ihres Wohltäters?!
Das ist es, ja natürlich, das Werk meines Vaters!
Frau Sperl, sind Sie die Tochter von Doktor Schütz?
Stille trat ein, er hörte seine eigenen Atemzüge. Er schob ihren Leib von sich, ein trauriges, schimmeliges Schweigen begann ihn zu würgen. Wie ernüchternd, dass unerwartete Erkenntnisse so trivial sein können!
Frau Sperl bewegte noch immer ihre Hüften, und Peter dachte, dass er nicht hätte herkommen sollen, Wien war eine Falle für ihn, er hatte sich in dieser Stadt verloren, hatte einen falschen Weg gewählt, war ein Spielball anderer. Die Wahrheit war, dass er nichts ohne die Billigung von Schütz, ohne seine schlitzohrigen Machinationen getan hatte! Eine alte, böse Spinne hatte ihn nach eigenem Gutdünken dirigiert! Immer noch bewegte sich Frau Sperl unaufhörlich, allerhand, auch dieses elende Geschöpf war das Werk von Herrn Schütz, hol’s doch der Henker! Mit einer plötzlichen Bewegung warf er sich auf sie und stieß sie solange, bis sie nach einigem glücklichen erstickten Gurgeln ohnmächtig wurde. Er zündete eine Kerze an und sah, dass sie aus der Nase blutete, auch er hatte ein paar Flecken abbekommen. Er trank den restlichen Wein aus, säuberte sein und ihr Gesicht, dann stahl er sich, die Stiefel in der Hand, auf Zehenspitzen aus dem Zimmer. Dennoch knarrte die Tür, sie erwachte sofort. Und er hörte, was Frau Sperl, die Kornelia war, flüsterte.
Danke, Herr Schön, danke!
Es war, als hätte sie aus einem Brunnen gesprochen.
Am nächsten Tag pfiffen kalte Winde durch die Straßen und rissen die Blätter von den Bäumen, bliesen den Rauch der Schornsteine schräg, es schneite in kleinen Flocken, und Peter sah vom Gipfel des Kahlenbergs, wohin er am Vormittag gefahren war, um ruhiger zu werden und sein Leben zu überdenken, lange auf die nebelige Stadt hinunter. Er spuckte immerzu aus und seufzte und tat sich selbst leid. Die Donau war ein grauer Streifen, er fror die ganze Zeit, schließlich trank er im Gasthaus neben der Kapelle Glühwein. Vergebens versuchte er seine Gedanken abzulenken, sie kehrten ständig zu dem alten Strippenzieher zurück.
Er hatte recht, genauer
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