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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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gesagt, recht behalten.
    Doch dazu mussten noch einige untätige und drückende Monate vergehen. Denn der Alte tauchte Mitte Februar unerwartet in Wien auf. Noch rasselten allein die Milchwagen auf den Straßen, doch die schrille Stimme des Doktors riss das Haus bereits aus dem Schlaf, wütend knallten Türen und Fenster, Frau Sperl schrie auf vor Freude, im Morgenmantel lief sie in den Hof hinaus und umarmte weinend ihren Vater, der gut gelaunt war; dass er die Stadt hasste, wie er früher so oft erklärt hatte, davon merkte man nichts. Der Doktor krähte dem verwirrten Peter ins Gesicht, er verhielt sich wie ein lieber Bekannter, ein Freund. Zwei Tage lang redete er wie ein Wasserfall, er erzählte von Imre, der in Gefangenschaft schmachtete, vom Elend der Zigeuner, von Gilagóg, der nur seiner Tochter nachjammerte, während er auf seine alten Tage Zwillinge aufzog. Auch Klaraleide immer mehr Entbehrungen, Peter wisse sicherlich, dass sie habe umziehen müssen und bereits ihre persönlichen Dinge verkaufe.
    Frau Sperl flatterte durch die Wohnung wie ein Schmetterling, stotterte vor Rührung, knüllte ihr Taschentuch, sie himmelte Peter an, als sei er Jesus, tischte ihm Likör und Kakao auf, nahm zu seinen Füßen Platz und umschlang seine Knie. Die Wohnungstür stand offen, das ganze Haus hörte ihr herzzerreißendes Weinen, und einige Momente später erschien sie frisch und schlank, als würde sie im Theater auftreten.
    Eines Morgens schleifte Doktor Schütz Peter ins Kaffeehaus, er kam gleich zur Sache und erklärte mit absichtlich tiefer Stimme, dass er ihm etwas Wichtiges zu sagen habe. Über den Kuchenteller gebeugt hörte Peter argwöhnisch zu, Herr Schütz schmatzte behaglich, Schokolade schmückte seinen weißen Bart.
    Hören Sie, Herr Peter, es müsste etwas aus dem Stephansdom geholt werden! Warum gerade von dort?! Nur deshalb, weil diese gewisse Sache sich dort befindet. Wäre sie woanders, müsste sie von woanders geholt werden!
    Wollen Sie mich zu einem Raub anstiften, Herr Schütz?!
    Wie kannst du so etwas Ruchloses denken, Herr Peter?! Wenn ich Zeit dazu hätte, wäre ich jetzt gekränkt, knurrte der Alte mit blitzenden Augen, dann erklärte er, dass der verbliebene Teil seines Lebens so kurz sei, dass er sich nur noch mit wirklich wichtigen Dingen abgeben könne. Es würde ein großartiges Abenteuer werden, und wenn es gelänge, würde es Peter einen Ruf verschaffen, für den andere ihr Leben gäben.
    Peter schwieg, eine sehr böse Ahnung beschlich ihn.
    Andere verfaulen unbemerkt in der lehmigen Erde, doch dir, Peter Schön, könnte bestimmt sein, zu den Gipfeln aufzusteigen, auf die du ein Anrecht hast. Hast du dich nicht seit deiner Kindheit eben danach gesehnt?! Hast du nicht schon als Jüngling geklagt, du seiest eine gescheiterte Existenz, ein widriges Schicksal nehme dir die Luft zum Atmen?!
    Woher wissen Sie solche Dinge, Herr Schütz?! Peter hätte brüllen mögen.
    Der Alte blinzelte die verbogene Kuchengabel an, so ein besonderes Wissen sei das nicht. Peter habe so viel geklagt, sich so bedauern lassen, dass nur Taube nichts von seinen Nöten wüssten.
    Das interessiert mich nicht mehr, knurrte Peter und versuchte seine auf dem Tisch liegenden Fäuste zu beruhigen. Plötzlich warf er den Kopf auf. Und was soll ich von dort holen, aus dem … Dom?
    Bevor wir darauf eingehen, möchte ich noch etwas sagen, antwortete der Doktor. Interessiert dich nicht, Herr Peter, warum dein Bruder Imre in Eisen gelegt, warum er zu einer vieljährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden ist?! Offenbar weißt du es nicht, weil du damals krank warst, doch im Februar einundfünfzig hat Imre in Szeged einen skandalträchtigen Vortrag gehalten.
    Peter schwieg, er wollte nicht verraten, dass ihm ein paar Dinge sehr wohl bekannt waren.
    Nun, Peter, weißt du, worüber Imre gesprochen hat?
    Der Alte tat so, als sei er im Begriff, etwas Lebenswichtiges mitzuteilen.
    Sicher eine Falle, dachte Peter.
    Dein Bruder hat über nichts anderes gesprochen als über einen einzigen Grashalm!
    Peter knurrte unsicher, dass er es anders gehört habe.
    Ach, Herr Peter, wem könntest du trauen, wenn nicht mir, Gustav Schütz?! Ich habe den Vortrag ja mit eigenen Ohren gehört! Ich war anwesend, beharrte der Alte und wischte sich seine entzündeten Augen ab.
    Peter legte den Kopf schräg, er grummelte etwas unter seinem Schnurrbart, doch Herr Schütz redete weiter, Peter solle keine Angst haben! Er solle nicht denken, er sei nicht

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