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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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außer Kontrolle gerieten und Blut fließen würde. Das Dienstmädchen hätte gern noch zugesehen, doch Klara zog sie fort. Der Hauptplatz der Stadt war eine große, kahle Fläche, und wenn er nicht von Markthändlern bevölkert wurde, die Obst, Gemüse, Brot und Stoffe feilboten, dann exerzierte dort das Militär, und auch deswegen war das Pflanzen von Bäumen verboten. Man erzählte sich, Széchenyi, als er die ausgedehnte Wüste im Herzen der Stadt erblickte, habe mit einem höhnischen Lächeln bemerkt, die Szegeder könnten hier wenigstens Kartoffeln anbauen, um irgendeinen Nutzen aus einem so großen Stück Land zu ziehen. Klara musste lächeln und scheuchte eine Fliege weg, die sich anscheinend um jeden Preis in ihr Auge setzen wollte.
    Ihre beiden Hüte waren gestohlen worden!
    Was für eine Unverschämtheit!
    Wer konnte das gewesen sein?!
    Sie blieb stehen und sah dem rotbäckigen Dienstmädchen ins Gesicht.
    Hör mal, Marcsa, laut Goethe gibt es kein Schwarz und Weiß! Die Farben gibt es nur deshalb, weil das Licht auf dunkle Gegenstände trifft. Wenn ich glücklich bin, ist das offenbar Weiß und existiert nicht. Wenn ich unglücklich bin, ist das Schwarz, aber auch das existiert nicht! Verstehst du?!
    Das Mädchen brummte, es verstehe.
    Ich kann weder glücklich noch unglücklich sein, wütend kann ich aber sein, Kruzitürken! Zwei Hüte sind immerhin zwei Hüte!
    Ja, gnädige Frau, ich verstehe, dass Sie aufgebracht sind. Doch stellen Sie sich vor, kürzlich hat sich der Herr Redakteur Kigl ein wenig beschwipst in einen Wasserarm gewälzt und ist darin eingeschlafen. Müllerlehrlinge haben ihn gefunden und ihm das Leben gerettet. Redakteur Kigl erbrach sich, von den mehligen Händen der Müller war sein Gesicht weiß, doch seine Augen waren grün, er schrie, dass die Welt grün geworden sei, die Gesichter der Menschen, die Kleider der Frauen waren grün, das Rathaus war grün, auch Himmel und Erde waren grün! Er hatte nämlich eine Wasserlinse an seiner Netzhaut kleben. Er sagte, er habe die Welt noch nie so schön gefunden! Doch Doktor Schütz warnte ihn, dass die Wasserlinse auf der Netzhaut verfaulen kann, und dann wird die Welt weder grün noch sonst irgendwie, sondern nur schwarz sein. Deshalb machten sie ihn betrunken und betäubten ihn, was keine schwere Aufgabe war, und Doktor Schütz operierte die Wasserlinse aus dem Auge des Herrn Redakteur. Seitdem sieht er alles wieder genauso wie wir und ist in Trübsinn verfallen.
    Da lachte Klara schon.
    Ach geh, ich bin doch gar nicht wütend, du Kamuffel.
    Nicht?!
    Klara schwieg versonnen und blinzelte ins Licht.
    Die Theiß blüht, sagte das Dienstmädchen.
    Was sagst du?!
    Die Theißblüte, sehen wir sie uns nicht an, gnädige Frau?!
    Klara stand nur da, sie konnte sich nicht bewegen.
    Doch, das machen wir, natürlich, flüsterte sie.
    Der Vater hatte ihr viel von den Eintagsfliegen erzählt, und sie hatte ihr Schwärmen auch schon gesehen. Die Eintagsfliege hat von der Schöpfung einen einzigen Tag bekommen, um sich einen Partner zu finden, bei Sonnenuntergang verendet sie wie das Licht. Verdauen kann sie nicht, wozu, für einen einzigen Tag? Das hatte Imre lachend erzählt. Sie fliegt miserabel, wechselnde Brisen lassen sie ins Wasser taumeln. Sie entwickelt sich im Bett der Theiß und schwärmt im Juni, um den ersten und letzten Liebestanz ihres Lebens aufzuführen. Die Verliebten leben nur einige Stunden. Ihre Kräfte, die sie Jahre hindurch in der Tiefe des Flussbetts gesammelt haben, raubt die Dämmerung. Einmal ist ein Junge von seinen Gefährten an die Lößwand genagelt worden, auch damals war Juni. Es herrschte große Hitze, die Lößwand glühte, und während der Junge den Schmerz hinausschrie, schwirrten Eintagsfliegen aus seiner Kehle.
    Wie oft hatte Klara dieses Bild schon geträumt!
    In diesem Moment erblickte sie Adam Pallagi.
    Der Jüngling kam auf sie zu, sicher hatte er schon lange kein Auge von ihnen gelassen. Wie um sie zu warnen, begann der Fleck auf Klaras Hand zu brennen. Ein berittener Soldat trabte vorbei, es sah aus, als würde der Jüngling von dem Tier mitgerissen, doch er wirbelte zur Seite, glitt am Rand des Straßengrabens aus, und nach einigem Herumrudern mit den Armen schlug er hin. Klara meinte den Armknochen krachen zu hören. Die Augen des Burschen weiteten sich, doch sein Blick verriet eher Bestürzung als Schmerz. Klara und das Dienstmädchen griffengleichzeitig nach ihm, doch Klara zog ihre Hand sofort wieder

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