Blumenfresser
als er nähertrat, ließ Klara es zu, dass er sie umarmte, sie ins Schlafzimmer zog, sie ließ zu, dass er sie entkleidete, und sie fügte sich allein deshalb, um dabei an etwas anderes denken zu können.
Einige Tage später kam Imre mit der Neuigkeit nach Hause, jemand habe ihn mit etwas beworfen. In der Tat war sein Mantel befleckt. Mit leiser, ärgerlicher Stimme berichtete er, man habe ihm faule Äpfel nachgeworfen, doch er habe keine Ahnung, wer so dreist gewesen sei, vielleicht ein Straßenjunge, nun lachte er schon zweideutig, umfasste Klaras Hüfte, dann neigte er sich über ihren Hals und biss sie. Sie zierte sich, in letzter Zeit sei Imres Verhalten ganz unverständlich gewesen, wirklich, er solledoch mal überlegen, wenn er beschattet werde, warum solle man ihn dann bewerfen?! Und wenn man ihn bewerfe, warum beschatte man ihn? Imre mache schon wieder alles kompliziert.
Ein andermal sagte Imre, man habe ihm ein Messer an die Kehle gesetzt.
Ein Messer?!
Ja, ein großes Messer!
Wer?!
Ich weiß es nicht, flüsterte Imre.
Und wo soll das gewesen sein?! Klara lachte auf, tätschelte sogar sein Gesicht, das konnte sie nun absolut nicht mehr glauben, doch Imre behauptete nichts Unwahres, sein Hemdkragen war blutig, und unter dem Adamsapfel hatte er eine rote Wunde. Klara wurde wütend, sie fühlte sich von der Wirklichkeit hereingelegt.
Zeig mir dein Messer, deine Fingernägel, dein Taschenmesser!
Jetzt schüttelte Imre den Kopf, ja was glaubst du denn, meine Liebste, ich schlitze mir selbst den Hals auf, wo ich doch glücklich bin?!
Man sieht, wer einem das Messer an die Kehle setzt!
Im Normalfall schon, sagte er.
Du hast es nicht gesehen?
Imre lachte verlegen, ich kam gerade aus der Buchhandlung, und … und war in Gedanken. Dann passierte es plötzlich.
Wir lügen auch, indem wir nicht alles sagen. Wir lügen auch, indem wir die Wahrheit beschneiden. Klara ahnte, dass Adam ihren Mann wie ein Spuk verfolgte, dass er es war, der ihm nachstellte, ihn bedrohte, wie ein tödlicher, weißer Schatten, dieser bleiche, arme Bursche. Sie dachte, dass er Imre umbringen, ihm einmal wirklich die Kehle durchschneiden könnte. Eines Nachts weckte sie ihn.
Hab keine Angst vor ihm, flüsterte sie Imre in den Mund.
Ich soll keine Angst vor ihm haben?!
Sei ihm nicht böse, ich bitte dich inständig!
Aber wem denn?!
Dem, der dir die Kehle durchschneiden will!
Imre räusperte sich in der Dunkelheit.
Gut, ich bin ihm nicht böse.
Doch, bist du, ich spüre, dass du ihm böse bist! Dein Herz ist wie ein Sumpf!
Gut, jetzt bin ich wirklich böse.
Komm, leg dich auf mich und sei nicht böse!
Ihr Kind wurde in der Dreikönigsnacht empfangen, sie waren seit Tagen allein, auch Herr Schütz zeigte sich kaum, doch am frühen Nachmittag stellte sich unerwartet Pfarrer Kremminger bei ihnen ein und segnete das Haus, wie es in diesen Tagen des Jahres der Brauch war. Als er aufbrechen wollte, hielt Imre ihn zurück und bat ihn nach einigem Überlegen, auch seine Blumen zu segnen. Gepresste Blumen unter Glas an der Wand, einige efeuartige Kletterpflanzen, vielarmige Schlingpflanzen, palmenartige Holzgewächse und Zwiebeln in bunten deutschen Gläsern, ein Reich von lebenden und toten Pflanzen. Ja, der Herr Pfarrer solle die Pflanzen segnen! Das Gesicht des Geistlichen verhärtete sich, Blumen pflegt man nicht zu segnen, besonders tote Blumen nicht, sagte er leise. Das war eine ungerechte Übertreibung, Imre besaß ja auch lebende Blumen zur Genüge. Klara sah bei der Szene verlegen zu, Imre schien ihretwegen Theater zu spielen. Seit sie Adam Pallagi kannte, redete sie mit ihrem Mann kühler und distanzierter, und einmal, als eine Erläuterung Imres noch umständlicher als gewöhnlich ausfiel, stand sie ohne ein Wort auf und ließ ihn allein.
Schweine, Hühner, Ziegen darf man natürlich segnen, bemerkte Imre mit dem Blick eines Menschen, der mehr von seinem Nächsten erwartet hat. Haben Sie schon einmal gesehen, Herr Pfarrer, wie Rinder gekeult werden, damit Koteletts daraus werden?!
Imre provozierte, der Pfarrer schüttelte den Kopf, er ließ sich auf keine Diskussion ein, schickte sich an, zu gehen, die weiße Kreide zwischen den Fingern, um die Jahreszahl der GeburtJesu auf den Türstock zu schreiben, wie das ebenfalls üblich war, doch Imre fasste ihn am Arm, mit einer Arroganz, die für ihn ungewöhnlich war.
Amen, sagte der Pfarrer, machte sich los und entfernte sich.
Der Schnee knirschte, als er vor dem Haus
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