Blumenfresser
beobachtete sie vom Bett aus, sie war bleich, kaute jedoch bereits an einem gerösteten Brot. Sie hörte nicht, was Herr Schütz sagte, las ihm aber die deutschen Worte von den Lippen ab.
Wissen Sie, mein Freund, ich habe noch nie in meinem Leben eine so glückliche Kranke gesehen!
Die rosa Hutschachteln
Es war im Juni des Jahres 1846, am Namenstag ihres Vaters, als der Schiffsbesitzer namens Berger einen Wels fing, der so gewaltig war, dass Bergers Kopf in seinem Maul Platz hatte. Das Tier wurde auf dem Fischmarkt an einen eisernen Haken gehängt, es war länger als zwei Meter, lebte und zappelte, in seinem schwarzen Leib rosteten Nägel und Widerhaken. Schaudernd starrte Klara auf das Ungeheuer und nickte Berger zu, der sie im Vorjahr zu ihrem Vater ans andere Ufer gebracht hatte. Nein, sie war gar nicht von Berger hinübergebracht worden! Er war nur am Ufer gewesen, und Klara hatte sich schließlich für einen anderen Kahn entschieden. Als sie und das Dienstmädchen den Markt hinter sich gelassen hatten, roch sie den Duft trocknenderHäute. Die Straße der Gerber war nicht weit, die weißen Häuser mit den geräumigen Dachböden, wo die Häute zum Trocknen hingen. Bei der Bierhalle von Palánk wurde Tabak abgeladen, ein Getreidefuhrwerk rumpelte Richtung Untere Stadt. Imre war in Pest, er war zu einer wissenschaftlichen Versammlung eingeladen worden, Peter zog in der Nyírgegend herum, als Gast einer entfernten Verwandten namens Zsófia, von der Klara seit langem ahnte, dass sie mehr als einfach nur eine Verwandte sein könnte. Unsere Verwandten nennen wir nicht Blume! Ein Verwandter ist Felsen, Baum, Fluss, aber niemals eine Blume. Und schon gar nicht eine »Wüstenblume«! Es konnte auch sein, dass dieser Barbar bereits zu Hause war, sich aber getreu seiner Gewohnheit nicht gleich gemeldet hatte. Warum hätte er sollen?! Bei ihm kamen immer die Schlampen zuerst, die ihm die Fleischsuppe aus dem Topf in den Mund schütteten!
Sie kamen an der nördlichen Ecke des Hauptplatzes vorbei, hinter ihnen das gelbe Rathaus, vor ihnen das weiße Orbán-Haus, gegenüber erstreckte sich die von Kalkflecken scheckige Stadtmauer, neben dem Graben schrubbten italienische Häftlinge Pferde ab. Sie waren auf dem Heimweg von Terézia Frei, die sich jeden Mittwoch von Doktor Schütz untersuchen ließ; sie entkleidete sich dann bis zur Hüfte und behielt nur ihr rosa Nachthemd an, und während der Arzt auf den Herzschlag ihres weißen, vollen Leibes horchte, hatte sie ihren schönsten Hut auf ihre parfümierte Haarpracht gesetzt. Es mochte ein schönes Bild sein, und Klara stellte sich vor, dass der Bart des Doktors Terézias hart werdende Brustwarzen kitzelte. Terézia konnte abgetragene Strohhüte mit großem Sachverstand in modische Kopfbedeckungen verwandeln, und vor einigen Tagen hatte Klara zwei Hüte bei ihr abgegeben. Nun wollte sie sie abholen.
Sie sind schon abgeholt worden, sagte Teréz Frei und blickte in den Wandspiegel hinter Klara, als wolle sie prüfen, ob ihr die Lüge stand. Klara war erstaunt und kam gar nicht auf die Idee, dass Teréz die Unwahrheit sprechen könnte.
Wer hat sie abgeholt?!
Teréz kratzte sich die Stirn, ich glaube, ein … ein junger Mann.
Was für junger Mann?!, rief Klara nun schon laut.
An sein Gesicht erinnere ich mich nicht, Teréz schüttelte den Kopf, was mich selbst wundert, denn es war erst heute Vormittag, doch ich weiß genau, dass er in deinem Namen erschienen ist und die Kosten der Reparatur beglichen hat. Oder etwa nicht?! Terézia war bereits völlig verwirrt und rang die Hände.
Ein junger Mann? War es Imre?!
Nein, nein, Terézia blickte abermals in den Spiegel hinter Klara. Und auch nicht sein Bruder, setzte sie leise hinzu, und Klara meinte aus dem faltergleich davongaukelnden Ton einigen Spott herauszuhören.
Sie dachte nach, ob sie Schadenersatz verlangen sollte.
Dann sagte sie nur, liebe Teréz, weißt du, diese Hüte habe ich gar nicht gebraucht. Und ich habe auch nicht wirklich geglaubt, dass man sie wieder in Ordnung bringen kann.
Eine Zeitlang stand sie noch vor dem Laden und hörte dem Spiel des Glöckchens zu.
Dann machte sie dem Dienstmädchen ein Zeichen, dass sie losgehen konnten.
Junge Burschen lärmten vor dem Gasthaus Zur goldenen Kugel , einer von ihnen stieß Drohungen aus, hier wurden ab und zu auch politische Ohrfeigen ausgeteilt. Abends fanden in der Stadt regelmäßig Fackelumzüge statt, es war zu befürchten, dass eines Tages die Emotionen
Weitere Kostenlose Bücher