Blumenfresser
Speichel auf ihren Bauch tropfen, es war ein Traum. Auf der Straße folgte ihr Adams Schatten, er wagte sich dicht an sie heran, Klara streckte ihm die Hand entgegen, es war ein Traum. Sie besaß ein mit weichselroten Linien kariertes Linonkleid, das sie besonders mochte, als sie es nähte, stach sie sich in den Finger und blutete stark, es war ein Traum. Wenn sie auf die Straße trat, meinte sie einen Schleier hinter sich her zu ziehen, und die Menschen, Häuser und Bäume, die sie zurückließ, schienen in ihrem Rücken ins Riesenhafte zu wachsen und ihr zu winken. Sie schritt über bunten Kies, auch das Knirschen war Traum. Ein Fluchen schreckte sie auf, der Fuhrmann brüllte vom Bock herunter, sie war den Pferden fast unter die Hufe gelaufen. Blinzelnd lachte sie über die Schulter, das Pferd schnaubte und hatte sich sogleich beruhigt. Nur ein paar Mal erbrach sie sich, dann hielt Imre ihren Kopf, und sie fühlte keine Scham. Ihr Leib wurde nicht schwer, ihre wachsende Last trugsie, als sei auch ihr Zustand Teil dieses langsamen, wohltuenden Traums, der sich rundende Bauch störte nicht, weder beim Spazierengehen noch beim Ankleiden, noch bei der Liebe, es machte ihr auch nichts aus, wenn er Peter, diesen Esel störte, denn Peter war eifersüchtig, auch jetzt war er nur mit sich selbst beschäftigt.
Eines Tages wurde sie von einem Menschenauflauf, der sich vor ihrem Haus drängte, aus dem Schlaf geschreckt, die Menge überschwemmte die Schwarzer-Adler-Straße, wirbelte Staub auf, Hüte flogen gen Himmel, schließlich verstand Klara, dass die Menschen Lajos Kossuth hochleben ließen. Sie stimmte in die Hochrufe ein, und als sie das Fenster öffnete, barst die Scheibe der Länge nach. Auch das war dieser Traum, diese unermessliche, alle Gefühle überstrahlende Seligkeit, dass sie endlich andere sein konnten als bisher, dass die Welt sich weitete, besser wurde. Die Revolution soll leben, es lebe die Revolution! Unten öffneten sich bereits die Schirme. Sie hatte den Regen immer gemocht, wenn es regnete, setzte sie sich zu Imre, der sie in eine Decke hüllte, und sie hörte lange dem Prasseln zu, es lebe die Revolution, flüsterte sie ihm zu.
Es lebe die Revolution, sagte Imre.
Einige Tage nach der Feierlichkeit schickte sie nach Doktor Schütz und empfing ihn mit den Worten, dass ihr irgendwo etwas entsetzlich wehtue, doch wo die schmerzende Stelle sei, könne sie beim besten Willen nicht sagen. Auf Doktor Schütz warte die großartige Aufgabe, herauszufinden, wo es ihr wehtue! Der Arzt verhielt sich außerordentlich seltsam, er schien zu erschrecken, als würden ihn düstere Erinnerungen überkommen, dann sah er Klara prüfend an, als hätte sie unmissverständlich auf irgendein Geheimnis angespielt, schließlich lachte er ungehörig laut auf und befahl Klara, sich nackt auszuziehen.
Sie sind doch kein Maler, Doktor Schütz!
Nackt, habe ich gesagt, wiederholte der Alte, um sie dann zumindest eine Stunde lang zu untersuchen, gründlich drückte, beroch und behorchte er sämtliche Körperteile, am Ende beugte er sich über ihr Gesicht und schielte sie einige Augenblicke langan, dann brüllte er, sie solle sofort den Mund aufreißen, sie Betrügerin!
Schmerz ist, meine Liebe, wenn wir außer uns selbst niemand anderen mehr sehen!, schnaubte er.
Nein, Herr Schütz, das, wovon Sie sprechen, ist Selbstsucht!, protestierte Klara erschrocken und sperrte den Mund weit auf.
Ist denn nicht die Selbstsucht das Allerschmerzhafteste?, antwortete der Arzt und sah sich zufrieden in ihrem Mund um.
Doktor Schütz hatte die Ursache des Übels gefunden. Einer ihrer Zähne war entzündet und nicht mehr zu retten. Doktor Schütz, der sich auch auf Zahnfleischerkrankungen und Zähneziehen verstand, empfahl Chloroform, doch sie schüttelte den Kopf, nicht nötig, sie würde ohnehin nichts spüren. Es lebe die Revolution! Sie lebe, bekräftigte Herr Schütz und holte seine Zangen hervor. Klara ertrug das Reißen des Zahns und die ins blutende Zahnfleisch gestopften Baumwollkugeln ohne Schmerzenslaut, zuletzt lachte sie den Doktor an.
Dottor Tütt, Dottor Tütt, Tie können aber Tähne tiehen!
Als ihr kleiner Sohn geboren wurde, floss im Schlafzimmer Blut, und vergossenes Menschenblut sprudelte überall in der Stadt. Es war der fünfzehnte Oktober, brennend tanzten die Blätter von den Bäumen, im Morgengrauen kam schwerer Nebel über die Welt. Die Wehen setzten während des Mittagsläutens ein, und langsam ermattete der Tag zum
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