Blumenfresser
stehenden Imre, der aber ruhig blieb. Klara wimmerte auf, Doktor Schütz antwortete mit einem neuerlichen Knurren. Lärm brach los, ein weiterer lautstarker Trupp zog durch die Straße, der Pöbel stieß einen verängstigten Serben vor sich her, den Weinhändler Vuk Dusan, dessen Jacke voll Blut war. Er sah zu Imre hinauf und brach zusammen. Ein betagter Mann trat ihm ins Gesicht, und als man ihn davonschleifte, polterte sein Kopf über das Pflaster. Klara sah, dass die Waffe immer noch auf ihren Mann gerichtet war.
Sie bringen ihn um, sie bringen ihn um!, flüsterte sie.
Pressen Sie endlich, meine Liebe, sind Sie sich bewusst, wie viele Menschen schon auf dieser Welt geboren worden sind?!, redete ihr Doktor Schütz zu.
Im selben Moment, in dem sie aufkreischte, knallte der Schuss. Ein heißes Tuch schien Imre über den Hals zu streichen, vielleicht geriet er einen Moment ins Wanken. Doch das Geschoss hatte ihn nur gestreift, Blut floss auf seinen Kragen und durchtränkte ihn. Klara hörte, wie durch die Kugel, die sich in die Wand gebohrt hatte, der Verputz zu rieseln begann. Plötzlich hatte sie das Gefühl, sich selbst auf der Suche nach dem Ausgang durch die Menge der kaiserlichen Gäste zu drängen, selbst unter der Masse der Rosenblüten nach Luft zu ringen. Du lieber Himmel, gleich wird sie ihr Kind zur Welt bringen!
Auf der Straße wurde geschrien, der Pöbel wütete wonnetrunken.
Schieß noch mal, schieß!
Schieß den dreckigen Hund nieder!
Imre betastete seinen Hals, von der plötzlichen Wärme bekam er Farbe, wurde leicht, schien zu schweben, seine Hand war blutig, es wurde ihm wohl. Nichts ist furchteinflößend, wenn es bereits geschieht. Er würde sicher gern etwas Scharfes trinken. Klara wusste, dass er mehrere der Gesichter da unten kannte, Fuhrleute, Tagelöhner drängten sich vor dem Haus, primitives Wirtshausvolk.
Schieß ihn nieder, flüsterte Klara, schieß ihn nieder!
Doktor Schütz beugte sich über sie, mein Gott, mein Gott, was reden Sie da ?!
Klara lachte in den Schmerz hinein.
Doch da erschallte ein bekanntes Gebrüll, die Gestalt Peters tauchte an der Ecke auf, er kam aus Richtung Kárász-Straße gelaufen, er glich einem tobenden Stier, schon versetzte er dem ersten, der ihm in den Weg kam, einen Faustschlag, kaum waren ein paar Augenblicke verstrichen, da wälzten sich drei Männer auf dem Boden. Jemand stach mit dem Messer auf ihn los, Peter packte den Kerl und brach den mit dem Messer fuchtelnden Arm wie ein Stück Holz. Der Bewaffnete zielte auf ihn.
Er war leuchtend bleich, sein Gesicht unbewegt, unglücklich.
Schieß, schieß, schrie man ihm zu.
Ins Herz schieß ihm, genau ins Herz!
Schießen sie ihn nieder?, flüsterte Klara.
Aber nein, sie wollen ihn nur erschrecken!, schüttelte Doktor Schütz den Kopf, dann brüllte auch er auf, es ist draußen, es ist schon draußen!
Ihr seid Bestien, keuchte Peter und spuckte aus, im nächsten Moment hätte er sich vielleicht auf den Bewaffneten geworfen, doch da erschien hinter dem am Fensterrahmen lehnenden, blutenden Imre ein weißer Schatten. Peter beruhigte sich, senkte den Kopf, wie ein Kind, das man bei einem Streich ertappt hat. Es war unerklärlich, woher Klara die Kraft genommen hatte, die Schritte aus dem Schlafzimmer hierher zu tun. Es war unerklärlich, auf welche Weise ihr von den Wehen gepeinigter Körper und ihr getrübtes Bewusstsein ihr zu verstehen gegeben hatten, dass sie aufstehen müsse. Sie hielt das Neugeborene im Arm, hinter ihr war Doktor Schütz fuchsteufelswild, was machen Sie, meine liebe Frau ?!
Adam Pallagi ließ den Arm sinken.
Es wurde still dort unten.
Der Bursche mit der Pistole schüttelte den Kopf, ein irres Lächeln spielte auf seinen Zügen, die Waffe wurde ihm entrissen, er erhielt einen Stoß, doch man tat ihm nichts, der Pöbel rannte schon wieder weiter. Als würde eine plötzliche Brise in einem Buch blättern, musizierte Nero Koszta auf der anderen Seite der Straße. Also war der Grasmusikant zurückgekehrt, oder er war in Wirklichkeit nie fortgegangen! Die trampelnden Füße entfernten sich, die Mörder waren davongerannt. Nur der junge Mann stand unter dem Fenster, hinter ihm Peter, der nicht wusste, was er tun sollte. Er winkte ab und ging schnaufend ins Haus. Der Säugling quietschte leise, und Klara zitterte so heftig, dass man ihr Zähneklappern hören konnte. Endlich legte Doktor Schütz den Arm um sie und führte sie zum Bett zurück. Klara, Klara, es ist alles in
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