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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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es nicht zurück. Herr Schütz ergriff ihre Hand und flehte sie auf Knien an, das tat er sehr effektvoll. Klara nickte, in Ordnung,sie setze keinen Fuß vor die Tür. Der Alte beruhigte sich und ging fort, ohne an das Säckchen zu denken. Und doch brach sie ihr Versprechen, denn sie betrog gerne, und nun musste sie sehen, dass auch sie betrogen worden war. Sie musste sehen, dass allein sie betrogen worden war, von allen, die ihr nahestanden und die sie selbst ab und zu mit leichten und harmlosen Spielen getäuscht hatte. Ohne Grund bittet Herr Schütz um nichts. Er wusste, was Klara in der elenden Behausung erwartete, wo so viele berühmte Herren ihre Aufwartung gemacht hatten. Der Alte war ein großer Schlaufuchs, viel raffinierter, als er aussah.
    Ich will das Geld nicht, sagte das Mädchen.
    Bitte, nehmen Sie es, Klara wunderte sich, dass sie flehte.
    Ich habe Geld, das Mädchen kramte einen prallen Beutel unter der Matratze hervor, man sah ihm an, dass er Gewicht hatte. Klara stand auf, die Kälte kroch ihr bis in die Knochen.
    Leben Ihre Eltern noch?, fragte sie an der Tür.
    Ich bin im Waisenhaus aufgewachsen, sagte das Mädchen.
    Sie haben Ihre Eltern nicht gekannt?
    Das Mädchen presste die Lippen zusammen. Sie blickte verwirrt, als wolle sie etwas sagen, wüsste jedoch nicht, wie beginnen.
    Bitten Sie mich um etwas, sagte sie leise.
    Klara kam es so vor, als würde ihr Lächeln höhnisch. Diese drei kaufe ich Ihnen ab, sie deutete der Reihe nach auf die Gesichter.
    Ich gebe sie Ihnen gratis.
    Für Geld, widersprach Klara.
    Wie Sie wollen, sagte das Mädchen, trat zur Wand und nahm die Bilder ab.
    Daheim legte Klara die Zeichnungen auf den Tisch. Imre stand versteinert da und starrte sie an, das Gesicht noch schmaler als sonst, doch er stellte keine Fragen. Er sagte überhaupt nichts.
    Du machst es unnötig kompliziert, wie du siehst, bemerkte Klara und ging das Kind stillen. Sie fror noch immer, als sollteihr nie mehr warm werden. Doch als sie nach dem Stillen die Bilder an die Wand nagelte, wurde es ein wenig besser. Wahrhaftig, sie liebte ihre Verräter. Es tat wohl, sie zu sehen, sie nahe zu wissen, als könnten sie auf diese Weise nie mehr Verrat an ihr begehen.

Unschuldige
    Während des Krieges wurde die Stadt mehrmals festlich erleuchtet. Das erste Mal nach den grauen Wintertagen flackerten die Lichter in der letzten Woche des Aprils 49 auf, zur Feier des Unabhängigkeitstags. Und wenn die hohen Herren im Rathaus auch keine besonderen Anstrengungen unternahmen, den Freiheitsplatz zu beleuchten, so war die Druckerei im benachbarten Orbán-Grünn-Haus um so besser vorbereitet. Das Haus des Getreidehändlers Zsótér diente als Krankenhaus und als Kaserne, auch dort loderten jetzt Fackeln. An der Mauer lehnten Verwundete und hielten Maulaffen feil, einer humpelte auf Krücken, andere hatten Verbände um den Kopf. Ein Bursche mit kindlichem Gesicht winkte mit seinem Stumpf, von Zeit zu Zeit donnerte ein Karabiner in den Himmel hinein. Wurzelmama drängte sich zu dem Verstümmelten durch und zog ihn an sich wie ein riesiges Baby. Der Bursche war verwundert, dann suchte sein Mund Wurzelmamas Mund. Blatt fächelte einem blinden Honved Luft zu, und Wurm zählte die Verwundeten.
    Bei dem Fest, das den ganzen Platz füllte, waren auch Imre und Klara zugegen. Alles, was es in diesem fiebernden Jahr an Deklarationen und Manifesten, ja sogar Massakern gegeben hatte, schien ihnen einzuflüstern, dass sie auch ganz andere Menschen sein könnten! Ihr Leben könnte eine vollkommen neue Wendung nehmen, ihre aus Staub und Nebel gewebten Träume könnten zum Leben erwachen, und über den tausendjährigen Schweineställen des Staates, wo das Klappern zubeißender Kiefer über der Beute immer lauter gewesen war als dieKirchengesänge oder das Gesumme gütiger Narren, könnte ein neues Haus erbaut werden. Sie konnten daran glauben, dass es möglich war, feiner, mit mutigerer Seele, auf stärkere Art zu leben! Dieser Glaube begleitete sie nicht ständig, es war keine fixe Idee, denn er tauchte nur zeitweise auf, wie das Licht eines in die Nacht hinein fliegenden Käfers. Oft vergaßen sie ihn, doch eben das zeigte seine Ernsthaftigkeit! Denn wenn er ihnen wieder einfiel, wurde nicht mehr gefragt, was wird mit Grund und Boden, mit der Sprache, mit der Heimat, der Aristokratie, dem Bürgertum, mit den Serben, den Deutschen, den Rumänen oder den Juden, denn sie konnten sicher sein, dass der Wille, den die von der historischen

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