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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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angezogen. Sie hatte nicht wissen können, dass Klara kommen würde, die Aufmachung galt nicht ihr. Schon eine ganze Weile hatte Klara dieses Gesicht gemustert, und schließlich fiel ihr ein, woher sie es kannte. Dieses Mädchen war damals auf dem Hauptplatz gezüchtigt worden, Klara war mit ihrem Vater dabei gewesen, vor Jahren war die Barbarei der öffentlichen Prügelstrafe noch üblich, und Imre ärgerte sie immer mit der Behauptung, dort hätten sie sich zum ersten Mal gesehen.
    Klara griff nach einer Decke, legen Sie sich die drüber.
    Was wollen Sie von mir?
    Ich weiß nicht, antwortete Klara.
    Und Sie wollen so lange bleiben, bis es Ihnen eingefallen ist?
    Klara nickte. Ihre Brüste hatten zu schmerzen begonnen, sie hatte viel Milch. Imre wusste nicht, wo sie sich aufhielt, und war sicher unruhig, wahrscheinlich stand er am Fenster oder lief durch die Stadt, zu Doktor Schütz, um sich zu beschweren. Sie sollte stillen, stattdessen war sie hier. Durch furchtsame, stumme Straßen war sie hierher gelangt. Die ganze Zeit über hatten der Geruch von Rauch und das Weiß von Chlor und Kalk in den Gräben sie begleitet. Wieder betrachtete sie die Wand mit den Zeichnungen.
    Ich hatte nie Talent zum Zeichnen, sagte sie. Sie musste an Kigl denken, ihren Deutschlehrer.
    Sie zeichnen alles?
    Ja.
    Warum?!
    Das Mädchen schnupfte, fischte einen Lumpen hervor und spuckte ihr Blut hinein. Vor ein paar Jahren hatte Klara sie noch auf der Bühne gesehen, in einem leichten deutschen Stück hatte sie eine Blumenverkäuferin gespielt. Denn aus der kleinen Nutte war eine Schauspielerin geworden! In ihrer sogenannten großen Szene rissen Straßenjungen ihr den Korb weg, und als ein Kavalier ihn ihr zurückbrachte, waren mehr Blumen darin als vor dem Diebstahl. Klara hatte viel darüber nachgedacht, ob diese Lösung schön oder albern war. Irgendeiner kleinen Blumenverkäuferin Blumen zu schenken! Übrigens spielte sie gar nicht übel. Sie hatte in ihrem Wesen eine aufreizende Bitterkeit, gepaart mit provokantem Hochmut. Jetzt erinnerte Klara sich deutlich. Auch auf der Straße war ihr das Mädchen manchmal aufgefallen, denn sie mied die Planken und lief immer daneben, und es machte ihr auch nichts aus, wenn Schlamm an ihren Schuhspitzen klebte. Sie war bleich, stupsnasig und kränklich. Ihr Blick war unstet, sie war ständig in Eile, als hätte sie vor etwas Angst, selten ließ sie sich auf ein Gespräch ein. Klara ahnte, dass sie keine Angst hatte. Dieses Mädchen fürchtete sich nichteinmal vor dem Teufel, nicht, weil sie so großen Mut besaß, sondern weil sie einfach nicht fähig war, Angst zu haben.
    In der benachbarten Vorstadt gab es bereits einige Erkrankungen, mehrere Häuser waren mit Siegel und Bändern markiert, die Cholera war wieder ausgebrochen. Das Mädchen könnte flüchten, sie tut es nicht, sie bleibt, im Zentrum der Hölle. Was sie hier hielt, in diesem ärmlichen Zimmer, in dieser durchdringenden Kälte?! Was hatten die Zeichnungen an der Wand zu bedeuten? Klara erkannte unzählige vornehme Bürger der Stadt! Drei davon gehörten ihr, waren ihr Eigentum, diese Männer waren Teil ihres Lebens, und wie sie geahnt hatte und jetzt zur Kenntnis nehmen musste, machte auch ein anderes Leben Gebrauch von ihnen. Nichts gehört uns so sehr wie wir glauben. Dass Peter das Mädchen aufsuchte, war nicht verwunderlich. Dass auch Imre sich über sie hermachte, allerdings schon, Klaras Blick fiel auf das Bett, auf dem als verlassene, schmutzige Seele die Decke lag. Imre betrog sie?! Das war so unglaublich, als würde sie sagen, Imre sei gestorben. Doch was hatte Adam hier zu suchen, ihr Adam?! Und warum musste sie das alles auf so erniedrigende Weise erfahren?! Und wem hatte sie diesen Besuch zu verdanken?!
    Natürlich Herrn Schütz, der ihr vor einigen Tagen leichte Bewegung, Spaziergänge empfohlen hatte, um dann, als handle es sich um eine Lappalie, diese Adresse auf ein ärztliches Papier zu schmieren, er drückte ihr ein Säckchen in die Hand und ersuchte sie, es hierherzubringen. Er zwinkerte linkisch. Niemand sonst solle davon erfahren, es möge ihr beider Geheimnis bleiben. In dem Säckchen befand sich Geld, Goldstücke, Klara dachte an nichts Böses, obwohl der Doktor den Adressaten der Sendung nicht nannte. Doch dann wurden die ersten Erkrankungen bekannt, und Herr Schütz bat sie händeringend, nicht aus dem Haus zu gehen und das Säckchen, wenn möglich, zurückzugeben. Klara versprach lachend zu gehorchen, und gab

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