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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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gemeine Soldaten, Trossknechte, hatte die Schlacht überlebt. Sie sangen sogar. Wurzelmamas Blick wurde bald von Kummer, bald von Zorn schwarzgewaschen, auch eine Träne quoll im Augenwinkel. Sie nahm das Augenwasser auf die Fingerspitze und ließ es im Wind trocknen. Ein Ruf erschallte, ein heißer Windstoß schüttelte das Laubwerk der Bäume, aus dem nahen Dickicht stürzte ein kleiner Kläffer hervor und fiel zähnefletschend über Wurzelmamas Knöchel her, er biss mehrmals zu. Unverwandt betrachtete sie den Hund, der röchelnd von neuem auf sie losging. Missmutig beugte sie sich hinab, hob das tobende Tier in die Höhe und schleuderte es weit von sich. Der Hund flog in exaktem Bogen über eine Gruppe von Robinien und traf offenbar nicht auf dem Boden auf, denn kaum war der Tierkörper hinter dem Pflanzenwuchs verschwunden, erhob sich ein markerschütterndes Gebrüll, und im nächsten Moment erschien ein zornentbrannter Husar.
    Wer beim beschissenen Herrgottsarsch wirft hier mit Hunden herum?!
    Das Fluchen ging weiter, doch nicht auf Ungarisch, sondern in der melodiösen Sprache irgendeines Volkes aus dem Süden. Dem stattlichen Husaren folgten ein Russe in abgetragener Kleidung und wieder ungarische Honveds. Die meisten Dolmane waren blutig, die Schnüre zerschlissen, die Stiefel, falls jemand überhaupt etwas an den Füßen hatte, fielen fast auseinander. In der kleinen Gruppe stolperten auch einige österreichische, serbische und italienische Soldaten in völliger Einigkeit dahin. Kein Zweifel, ein auserwähltes europäisches Corps bewegte sich auf die überraschte Wurzelmama zu, am Ende rumpelten diePlanwagen, in denen schwarzhaarige Frauen kauerten, rund um die mageren Klepper tummelten sich Zigeunerkinder. Der Husar blieb vor Wurzelmama stehen und starrte sie herablassend an. Er machte den Eindruck eines Mannes, dem vieles widerfahren ist, Wangen und Stirn waren von Narben durchfurcht, ein Blutfleck auf seiner Attila zeugte davon, dass er vor kurzem einen Herzschuss abbekommen hatte. Sein Gesicht war sonnenverbrannt, sein Blick offen, unschuldig, schlau und träumerisch zugleich. Schließlich lächelte er Wurzelmama zaghaft an.
    Vielleicht war es für den Husaren, der sich als Woiwode vorstellte, keine Überraschung, für die übrigen, die Russen, die Österreicher, die Zigeunerkinder und die mit Kupferohrringen rasselnden Frauen in ihren bunten Röcken hingegen schon, denn sie fuhren alle auf einmal hoch, als Wurzelmama den ungarischen Husaren namens Gilagóg von seiner Mähre zerrte, ihn herzhaft umarmte und schmatzend auf den Mund küsste.
    Wenn ihr in diesem Aufzug in die Stadt geht, ist es aus mit euch, sagte sie.
    Die Zigeuner, denn um sie handelte es sich bei dem Haufen, um die ruhmreichen Abkömmlinge des ruhmreichen Masari-Stammes, hatten den auf dem Schlachtfeld von Szőreg Gebliebenen mancherlei abgenommen, denn wozu brauchten Tote noch Dolman oder Hose. Wurzelmama hatte völlig recht. Es war absolut nicht empfehlenswert, in dem von kaiserlichen Truppen besetzten Szeged in solcher Maskerade Einzug zu halten. Es grenzte schon an ein Wunder, dass sie bis zum Fluss unbehelligt geblieben waren. In dieser Gegend hatten sich Spione und Spitzel eingenistet, manch einer beäugte Erde, Wasser und rebellische Fata Morganas schon seit tausend, andere seit hundert Jahren, um ihrem jeweiligen Herrn von Zeit zu Zeit Meldung zu machen. Serbische Patrouillen und österreichische Trupps wirbelten den Staub der Straße auf. Neben dem Graben lagen nachlässig abgedeckte Leichen. Dennoch waren die Zigeuner angekommen, sie hatten Glück gehabt, ihr Gott beschützte sie. Gilagóg dachte nicht lange nach, er spuckte dankbar aus undwinkte seinen Leuten, die warfen den Plunder widerwillig von sich und legten wieder ihre alten Sachen, die abgetragenen Hosen und Hemden an. Rasch wurde ein Scheiterhaufen errichtet und all das verbrannt, was sie vom Gefechtsfeld mitgenommen hatten. Der Rauch zog schon in flachen Schwaden dahin, als Wurzelmama, die das Verbrennen der Lumpen überwachte, sich dem Woiwoden zuwandte. Gilagóg legte den Finger in die Vertiefung der Schnittwunde, die quer über sein Gesicht lief. Neben ihm stand ein Mädchen, es war in anderen Umständen, und ihr sich in zwei Richtungen rundender gewaltiger Bauch verriet, dass es sich nicht um eine normale Schwangerschaft handelte. Das Mädchen war schön, Wurzelmama umarmte sie und sog, zwischen ihren Brüsten schnuppernd, den Duft ihres Körpers ein.
    Es werden

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