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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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gefährliche Zwillinge, weißt du das?!, sagte sie dann.
    Sie werden so sein wie ich!, antwortete das Mädchen, eine Klinge schien vor seinem Gesicht vorbeizusausen. Es hieß Barka, und die Zigeuner tuschelten, dass sie schon getötet hatte.
    Wie schade, Barka, dass du dir so viel auf deine Schönheit einbildest!, brummte Wurzelmama und wandte sich dem Woiwoden zu. Sie nahm ihm die Pfeife aus dem Mund und zog kräftig daran. Augenblicklich spuckte sie aus, hör mal, Woiwode, dem Tabak ist Pferdescheiße beigemischt! Gilagóg zuckte mit den Schultern, wenn die Russen das rauchen, warum nicht auch die Zigeuner?! Wurzelmamas Blick wurde hart.
    Wo ist er?!, fragte sie und beugte sich vor.
    Das Gesicht des Woiwoden Gilagóg verdüsterte sich, er gab keine Antwort.
    Wurzelmama packte seinen Arm, der Knochen knackte.
    Wo ist er?, fragte sie abermals und sah Barka an, die sich sprungbereit duckte. Gilagóg massierte sich den Arm, natürlich wusste er genau, nach wem die holde Wurzelmama sich erkundigte.
    Das Bett, auf dem Habred der Wahrhaftige sein eintönigesLeben zubrachte, hatten sie in Bosnien von einem fahrenden Italiener gekauft. Gilagóg glaubte zu wissen, dass auf der ganzen Welt die Welschen ihre Betten am meisten schätzten, das Bett war ihnen heilig, jedenfalls bot der Venezianer seine Ware äußerst billig feil. Später bemerkte Gilagóg die dunklen Flecken auf der Matratze. Er hegte keinen Zweifel, was für Flecken das waren! In einem blutigen Bett geboren zu werden bedeutete nichts Gutes! Andererseits, auch ein blutiges Bett ist ein Bett, brummte er, und sie behielten es. Schließlich bohrte sich Habred auf diesem Bett zum Licht, und Blut forderte Blut.
    Vor Habreds Geburt hatte ihr Zauberer davon zu singen begonnen, dass die Mutter die Entbindung nicht überleben würde und das Neugeborene mit einem so fürchterlichen Wissen in das Netz der Welt prallte, dass es den Schmerz der Mutter nicht auffangen könne. Alsbald verbreitete sich unter den Zigeunern das Gerücht, er sei der »Wahrhaftige«. Habred strampelte noch im Bauch der Mutter, da hatte er bereits ein Schicksal.
    Habred der Wahrhaftige war auf dem Weg, er kam zu ihnen!
    Was ist das, »wahr«, Woiwode?, fragten die Zigeuner Gilagóg.
    Was wir wollen, antwortete dieser nach einigem Grübeln.
    Und was wir nicht wollen, ist nicht wahr?
    Auch das, nickte er, was nicht nur ihr wollt, sondern jemand anders, ist wahr!
    Das allerdings war bereits zuviel für sie, zuviel der Weisheit, die Zigeuner begannen zu tanzen, sich zu prügeln, sie tranken und feierten, bestahlen einander, bestahlen Fremde, sie starben und wurden zufällig geboren. Doch manchmal schreckten sie auf. Habred der Wahrhaftige, flüsterten die Zigeuner und wiesen auf den runden Bauch des Mädchens, und die Glücklicheren durften sie berühren, sie warfen sich zu Boden und küssten ihre Beine. Es bekreuzigte sich, wer wusste, wie das ging. Man drückte ihr Brotrinden, Äpfel und Fleisch in die Hand, schmückte ihr Haar mit Flaumfedern aus Vogelnestern, Blumen und Falterflügeln. Man nähte Röcke für sie, sie solle sie tragen, in ihnen tanzen, solange sie lebe.
    Iss, Kind, du wirst gebären!
    Iss, iss, du stirbst ohnehin!
    Iss, iss, wir werden dich nie vergessen!
    Das Mädchen weinte, dann fluchte es nur noch. Denn man hatte ihr gesagt, dass sie sterben werde, ihr aber auch versichert, sie werde wie eine Königin begraben, man werde sie im Morgentau baden und ihr ewiges Andenken zärtlich bewahren, so wie die Christen das der Jungfrau Maria. Sie zerkratzte sich das Gesicht, was soll das heißen, ewig?! Sie spuckte Blut in die blödsinnigen Gesichter, sie wollte kein Königinnenbegräbnis, sie wollte keine Erinnerung sein, sie hatte erst fünfzehn Sommer gesehen, sie wollte leben. Sie erfuhr nie, von wem sie schwanger war.
    Wie der tanzende Wind kreisten sie damals unablässig in der Umgebung von Sarajevo und in den Gegenden von Kakanj, Doboj und Sutjeska. Sie bettelten und hämmerten, hämmerten und bettelten, umtanzten einen Dorfobersten und katzbuckelten mit Gekreische angesichts der unwillig dargebotenen Eier und Kohlköpfe. Manchmal fischten sie auch, wie einst ihre Ahnen, denn sie waren ja fischende Masari-Zigeuner, doch die von den Bergen herabstürzenden wilden Flüsse versprachen wenig Beute, und von den Seen, die sich in die Täler duckten, wurden sie bald vertrieben. Wann immer möglich, schlugen sie ihr Lager in der Nachbarschaft größerer Städte und Garnisonen auf, dort tanzten

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