Blumfeld, ein älterer Junggeselle
Nacht hier
haben, denkt Blumfeld, beißt die Lippen zusammen und nickt
mit dem Kopf.
Er ist traurig, ohne eigentlich zu wissen, womit ihm die Bälle
in der Nacht schaden könnten. Sein Schlaf ist ausgezeichnet, er
wird das kleine Geräusch leicht überwinden. Um dessen ganz
sicher zu sein, schiebt er ihnen entsprechend der gewonnenen
Erfahrung zwei Teppiche unter. Es ist, als hätte er einen klei-
nen Hund, den er weich betten will. Und als wären auch die
Bälle müde und schläfrig, sind auch ihre Sprünge niedriger und
langsamer als früher. Wie Blumfeld vor dem Bett kniet und mit
der Nachtlampe hinunterleuchtet, glaubt er manchmal, daß die
Bälle auf den Teppichen für immer liegenbleiben werden, so
schwach fallen sie, so langsam rollen sie ein Stückchen weit.
Dann allerdings erheben sie sich wieder pflichtgemäß. Es ist aber
leicht möglich, daß Blumfeld, wenn er früh unter das Bett schaut,
dort zwei stille harmlose Kinderbälle finden wird.
Aber sie scheinen die Sprünge nicht einmal bis zum Morgen
aushalten zu können, denn schon als Blumfeld im Bett liegt, hört
er sie gar nicht mehr. Er strengt sich an, etwas zu hören, lauscht
aus dem Bett vorgebeugt — kein Laut. So stark können die Tep-
piche nicht wirken, die einzige Erklärung ist, daß die Bälle nicht
mehr springen, entweder können sie sich von den weichen Tep-
pichen nicht genügend abstoßen und haben deshalb das Springen
vorläufig aufgegeben, oder aber, was das Wahrscheinlichere ist,
sie werden niemals mehr springen. Blumfeld könnte aufstehn
und nachschauen, wie es sich eigentlich verhält, aber in seiner
Zufriedenheit darüber, daß endlich Ruhe ist, bleibt er lieber lie-
gen, er will an die ruhiggewordenen Bälle nicht einmal mit den
Blicken rühren. Sogar auf das Rauchen verzichtet er gern, dreht
sich zur Seite und schläft gleich ein.
Doch bleibt er nicht ungestört; wie sonst immer, ist sein Schlaf
auch diesmal traumlos, aber sehr unruhig. Unzählige Male in
der Nacht wird er durch die Täuschung aufgeschreckt, als ob je-
mand an die Tür klopfe. Er weiß auch bestimmt, daß niemand
klopft; wer wollte in der Nacht klopfen und an seine, eines ein-
samen Junggesellen Tür. Obwohl er es aber bestimmt weiß, fährt
er doch immer wieder auf und blickt einen Augenblick lang ge-
spannt zur Türe, den Mund offen, die Augen aufgerissen und die
Haarsträhnen schütteln sich auf seiner feuchten Stirn. Er macht
Versuche zu zählen, wie oft er geweckt wird, aber besinnungs-
los von den ungeheuern Zahlen, die sich ergeben, fällt er wieder
in den Schlaf zurück. Er glaubt zu wissen, woher das Klopfen
stammt, es wird nicht an der Tür ausgeführt, sondern ganz an-
derswo, aber er kann sich in der Befangenheit des Schlafes nicht
erinnern, worauf sich seine Vermutungen gründen. Er weiß nur,
daß viele winzige widerliche Schläge sich sammeln, ehe sie das
große starke Klopfen ergeben. Er würde alle Widerlichkeit der
kleinen Schläge erdulden wollen, wenn er das Klopfen vermeiden
könnte, aber es ist aus irgendeinem Grunde zu spät, er kann hier
nicht eingreifen, es ist versäumt, er hat nicht einmal Worte, nur
zum stummen Gähnen öffnet sich sein Mund, und wütend dar-
über schlägt er das Gesicht in die Kissen. So vergeht die Nacht.
Am Morgen weckt ihn das Klopfen der Bedienerin, mit einem
Seufzer der Erlösung begrüßt er das sanfte Klopfen, über dessen
Unhörbarkeit er sich immer beklagt hat, und will schon »her-
ein« rufen, da hört er noch ein anderes lebhaftes, zwar schwa-
ches, aber förmlich kriegerisches Klopfen. Es sind die Bälle unter
dem Bett. Sind sie aufgewacht, haben sie im Gegensatz zu ihm
über die Nacht neue Kräfte gesammelt? »Gleich«, ruft Blumfeld
der Bedienerin zu, springt aus dem Bett, aber vorsichtigerwei-
se so, daß er die Bälle im Rücken behält, wirft sich, immer den
Rücken ihnen zugekehrt, auf den Boden, blickt mit verdrehtem
Kopf zu den Bällen und — möchte fast fluchen. Wie Kinder, die
in der Nacht die lästigen Decken von sich schieben, haben die
Bälle wahrscheinlich durch kleine, während der ganzen Nacht
fortgesetzte Zuckungen die Teppiche so weit unter dem Bett
hervorgeschoben, daß sie selbst wieder das freie Parkett unter
sich haben und Lärm machen können. »Zurück auf die Teppi-
che«, sagt Blumfeld mit bösem Gesicht, und erst, als die Bälle
dank der Teppiche wieder still geworden sind, ruft er die Bedie-
nerin herein.
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