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Blumfeld, ein älterer Junggeselle

Blumfeld, ein älterer Junggeselle

Titel: Blumfeld, ein älterer Junggeselle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Die Bälle springen jetzt
    unter dem Tisch und sind, da dort ein Teppich ist, nur wenig
    zu hören. Das ist ein großer Vorteil, es gibt nur ganz schwache
    dumpfe Geräusche, man muß sehr aufmerken, um sie mit dem
    Gehör noch zu erfassen. Blumfeld allerdings ist sehr aufmerksam
    und hört sie genau. Aber das ist nur jetzt so, in einem Weilchen
    wird er sie wahrscheinlich gar nicht mehr hören. Daß sie sich auf
    Teppichen so wenig bemerkbar machen können, scheint Blum-
    feld eine große Schwäche der Bälle zu sein. Man muß ihnen nur
    einen oder noch besser zwei Teppiche unterschieben und sie sind
    fast machtlos. Allerdings nur für eine bestimmte Zeit, und au-
    ßerdem bedeutet schon ihr Dasein eine gewisse Macht.
    Jetzt könnte Blumfeld einen Hund gut brauchen, so ein junges,
    wildes Tier würde mit den Bällen bald fertig werden; er stellt sich
    vor, wie dieser Hund mit den Pfoten nach ihnen hascht, wie er
    sie von ihrem Posten vertreibt, wie er sie kreuz und quer durchs
    Zimmer jagt und sie schließlich zwischen seine Zähne bekommt.
    Es ist leicht möglich, daß sich Blumfeld in nächster Zeit einen
    Hund anschafft.
    Vorläufig aber müssen die Bälle nur Blumfeld fürchten und
    er hat jetzt keine Lust, sie zu zerstören, vielleicht fehlt es ihm
    auch nur an Entschlußkraft dazu. Er kommt abends müde aus
    der Arbeit und nun, wo er Ruhe nötig hat, wird ihm diese Über-
    raschung bereitet. Er fühlt erst jetzt, wie müde er eigentlich ist.
    Zerstören wird er ja die Bälle gewiß, und zwar in allernächster
    Zeit, aber vorläufig nicht und wahrscheinlich erst am nächsten
    Tag. Wenn man das Ganze unvoreingenommen ansieht, führen
    sich übrigens die Bälle genügend bescheiden auf. Sie könnten bei-
    spielsweise von Zeit zu Zeit vorspringen, sich zeigen und wieder
    an ihren Ort zurückkehren, oder sie könnten höher springen, um
    an die Tischplatte zu schlagen und sich für die Dämpfung durch
    den Teppich so entschädigen. Aber das tun sie nicht, sie wollen
    Blumfeld nicht unnötig reizen, sie beschränken sich offenbar nur
    auf das unbedingt Notwendige.
    Allerdings genügt auch dieses Notwendige, um Blumfeld den
    Aufenthalt beim Tisch zu verleiden. Er sitzt erst ein paar Minuten
    dort und denkt schon daran, schlafen zu gehn. Einer der Beweg-
    gründe dafür ist auch der, daß er hier nicht rauchen kann, denn
    er hat die Zündhölzer auf das Nachttischchen gelegt. Er müß-
    te also diese Zündhölzchen holen, wenn er aber einmal beim
    Nachttisch ist, ist es wohl besser schon dort zu bleiben und sich
    niederzulegen. Er hat hiebei auch noch einen Hintergedanken, er
    glaubt nämlich, daß die Bälle, in ihrer blinden Sucht, sich immer
    hinter ihm zu halten, auf das Bett springen werden und daß er
    sie dort, wenn er sich dann niederlegt, mit oder ohne Willen zer-
    drücken wird. Den Einwand, daß etwa auch noch die Reste der
    Bälle springen könnten, lehnt er ab. Auch das Ungewöhnliche
    muß Grenzen haben. Ganze Bälle springen auch sonst, wenn
    auch nicht ununterbrochen, Bruchstücke von Bällen dagegen
    springen niemals, und werden also auch hier nicht springen.
    »Auf!« ruft er durch diese Überlegung fast mutwillig gemacht
    und stampft wieder mit den Bällen hinter sich zum Bett. Seine
    Hoffnung scheint sich zu bestätigen, wie er sich absichtlich ganz
    nahe ans Bett stellt, springt sofort ein Ball auf das Bett hinauf.
    Dagegen tritt das Unerwartete ein, daß der andere Ball sich un-
    ter das Bett begibt. An die Möglichkeit, daß die Bälle auch unter
    dem Bett springen könnten, hat Blumfeld gar nicht gedacht. Er
    ist über den einen Ball entrüstet, trotzdem er fühlt, wie unge-
    recht das ist, denn durch das Springen unter dem Bett erfüllt der
    Ball seine Aufgabe vielleicht noch besser als der Ball auf dem
    Bett. Nun kommt alles darauf an, für welchen Ort sich die Bäl-
    le entscheiden, denn, daß sie lang getrennt arbeiten könnten,
    glaubt Blumfeld nicht. Und tatsächlich springt im nächsten Au-
    genblick auch der untere Ball auf das Bett hinauf. Jetzt habe ich
    sie, denkt Blumfeld, heiß vor Freude, und reißt den Schlafrock
    vom Leib, um sich ins Bett zu werfen. Aber gerade springt der
    gleiche Ball wieder unter das Bett. Übermäßig enttäuscht sinkt
    Blumfeld förmlich zusammen. Der Ball hat sich wahrscheinlich
    oben nur umgesehn und es hat ihm nicht gefallen. Und nun folgt
    ihm auch der andere und bleibt natürlich unten, denn unten ist
    es besser. Nun werde ich diese Trommler die ganze

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