Blumfeld, ein älterer Junggeselle
Die Bälle springen jetzt
unter dem Tisch und sind, da dort ein Teppich ist, nur wenig
zu hören. Das ist ein großer Vorteil, es gibt nur ganz schwache
dumpfe Geräusche, man muß sehr aufmerken, um sie mit dem
Gehör noch zu erfassen. Blumfeld allerdings ist sehr aufmerksam
und hört sie genau. Aber das ist nur jetzt so, in einem Weilchen
wird er sie wahrscheinlich gar nicht mehr hören. Daß sie sich auf
Teppichen so wenig bemerkbar machen können, scheint Blum-
feld eine große Schwäche der Bälle zu sein. Man muß ihnen nur
einen oder noch besser zwei Teppiche unterschieben und sie sind
fast machtlos. Allerdings nur für eine bestimmte Zeit, und au-
ßerdem bedeutet schon ihr Dasein eine gewisse Macht.
Jetzt könnte Blumfeld einen Hund gut brauchen, so ein junges,
wildes Tier würde mit den Bällen bald fertig werden; er stellt sich
vor, wie dieser Hund mit den Pfoten nach ihnen hascht, wie er
sie von ihrem Posten vertreibt, wie er sie kreuz und quer durchs
Zimmer jagt und sie schließlich zwischen seine Zähne bekommt.
Es ist leicht möglich, daß sich Blumfeld in nächster Zeit einen
Hund anschafft.
Vorläufig aber müssen die Bälle nur Blumfeld fürchten und
er hat jetzt keine Lust, sie zu zerstören, vielleicht fehlt es ihm
auch nur an Entschlußkraft dazu. Er kommt abends müde aus
der Arbeit und nun, wo er Ruhe nötig hat, wird ihm diese Über-
raschung bereitet. Er fühlt erst jetzt, wie müde er eigentlich ist.
Zerstören wird er ja die Bälle gewiß, und zwar in allernächster
Zeit, aber vorläufig nicht und wahrscheinlich erst am nächsten
Tag. Wenn man das Ganze unvoreingenommen ansieht, führen
sich übrigens die Bälle genügend bescheiden auf. Sie könnten bei-
spielsweise von Zeit zu Zeit vorspringen, sich zeigen und wieder
an ihren Ort zurückkehren, oder sie könnten höher springen, um
an die Tischplatte zu schlagen und sich für die Dämpfung durch
den Teppich so entschädigen. Aber das tun sie nicht, sie wollen
Blumfeld nicht unnötig reizen, sie beschränken sich offenbar nur
auf das unbedingt Notwendige.
Allerdings genügt auch dieses Notwendige, um Blumfeld den
Aufenthalt beim Tisch zu verleiden. Er sitzt erst ein paar Minuten
dort und denkt schon daran, schlafen zu gehn. Einer der Beweg-
gründe dafür ist auch der, daß er hier nicht rauchen kann, denn
er hat die Zündhölzer auf das Nachttischchen gelegt. Er müß-
te also diese Zündhölzchen holen, wenn er aber einmal beim
Nachttisch ist, ist es wohl besser schon dort zu bleiben und sich
niederzulegen. Er hat hiebei auch noch einen Hintergedanken, er
glaubt nämlich, daß die Bälle, in ihrer blinden Sucht, sich immer
hinter ihm zu halten, auf das Bett springen werden und daß er
sie dort, wenn er sich dann niederlegt, mit oder ohne Willen zer-
drücken wird. Den Einwand, daß etwa auch noch die Reste der
Bälle springen könnten, lehnt er ab. Auch das Ungewöhnliche
muß Grenzen haben. Ganze Bälle springen auch sonst, wenn
auch nicht ununterbrochen, Bruchstücke von Bällen dagegen
springen niemals, und werden also auch hier nicht springen.
»Auf!« ruft er durch diese Überlegung fast mutwillig gemacht
und stampft wieder mit den Bällen hinter sich zum Bett. Seine
Hoffnung scheint sich zu bestätigen, wie er sich absichtlich ganz
nahe ans Bett stellt, springt sofort ein Ball auf das Bett hinauf.
Dagegen tritt das Unerwartete ein, daß der andere Ball sich un-
ter das Bett begibt. An die Möglichkeit, daß die Bälle auch unter
dem Bett springen könnten, hat Blumfeld gar nicht gedacht. Er
ist über den einen Ball entrüstet, trotzdem er fühlt, wie unge-
recht das ist, denn durch das Springen unter dem Bett erfüllt der
Ball seine Aufgabe vielleicht noch besser als der Ball auf dem
Bett. Nun kommt alles darauf an, für welchen Ort sich die Bäl-
le entscheiden, denn, daß sie lang getrennt arbeiten könnten,
glaubt Blumfeld nicht. Und tatsächlich springt im nächsten Au-
genblick auch der untere Ball auf das Bett hinauf. Jetzt habe ich
sie, denkt Blumfeld, heiß vor Freude, und reißt den Schlafrock
vom Leib, um sich ins Bett zu werfen. Aber gerade springt der
gleiche Ball wieder unter das Bett. Übermäßig enttäuscht sinkt
Blumfeld förmlich zusammen. Der Ball hat sich wahrscheinlich
oben nur umgesehn und es hat ihm nicht gefallen. Und nun folgt
ihm auch der andere und bleibt natürlich unten, denn unten ist
es besser. Nun werde ich diese Trommler die ganze
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