Blumfeld, ein älterer Junggeselle
endlich alles zurechtge-
legt zu haben und steigt steif und schwerfällig die Treppe hinauf.
Nicht einmal im Gang verleugnet er seine Mutter, die übrigens
unten in der Kellertür erscheint. Blumfeld schreit überlaut, damit
ihn auch die Bedienerin versteht und die Ausführung seines Auf-
trags, falls es nötig sein sollte, überwacht. »Ich habe oben«, sagt
Blumfeld, »in meinem Zimmer zwei schöne Bälle. Willst du sie
haben?« Der Junge verzieht bloß den Mund, er weiß nicht, wie
er sich verhalten soll, er dreht sich um und sieht fragend zu seiner
Mutter hinunter. Die Mädchen aber fangen gleich an, um Blum-
feld herumzuspringen und bitten um die Bälle. »Ihr werdet auch
mit ihnen spielen dürfen«, sagt Blumfeld zu ihnen, wartet aber
auf die Antwort des Jungen. Er könnte die Bälle gleich den Mäd-
chen schenken, aber sie scheinen ihm zu leichtsinnig und er hat
jetzt mehr Vertrauen zu dem Jungen. Dieser hat sich inzwischen
bei seiner Mutter, ohne daß Worte gewechselt worden wären,
Rat geholt und nickt auf eine neuerliche Frage Blumfelds zustim-
mend. »Dann gib acht,« sagte Blumfeld, der gern übersieht, daß
er hier für sein Geschenk keinen Dank bekommen wird, »den
Schlüssel zu meinem Zimmer hat deine Mutter, den mußt du dir
von ihr ausborgen, hier gebe ich dir den Schlüssel von meinem
Kleiderkasten und in diesem Kleiderkasten sind die Bälle. Sperr
den Kasten und das Zimmer wieder vorsichtig zu. Mit den Bällen
aber kannst du machen was du willst und mußt sie nicht wieder
zurückbringen. Hast du mich verstanden?« Der Junge hat aber
leider nicht verstanden. Blumfeld hat diesem grenzenlos begriff-
stutzigen Wesen alles besonders klarmachen wollen, hat aber
gerade infolge dieser Absicht alles zu oft wiederholt, zu oft ab-
wechselnd von Schlüsseln, Zimmer und Kasten gesprochen, und
der Junge starrt ihn infolgedessen nicht wie seinen Wohltäter,
sondern wie einen Versucher an. Die Mädchen allerdings haben
gleich alles begriffen, drängen sich an Blumfeld und strecken die
Hände nach dem Schlüssel aus. »Wartet doch«, sagt Blumfeld und
ärgert sich schon über alle. Auch vergeht die Zeit, er kann sich
nicht mehr lange aufhalten. Wenn doch die Bedienerin endlich
sagen wollte, daß sie ihn verstanden hat und alles richtig für den
Jungen besorgen wird. Statt dessen steht sie aber noch immer
unten an der Tür, lächelt geziert wie verschämte Schwerhörige
und glaubt vielleicht, daß Blumfeld oben über ihren Jungen in
plötzliches Entzücken geraten sei und ihm das kleine Einmaleins
abhöre. Blumfeld wieder kann aber doch nicht die Kellertreppe
hinuntersteigen und der Bedienerin seine Bitte ins Ohr schreien,
ihr Junge möge ihn doch um Gottes Barmherzigkeit willen von
den Bällen befreien. Er hat sich schon genug bezwungen, wenn
er den Schlüssel zu seinem Kleiderkasten für einen ganzen Tag
dieser Familie anvertrauen will. Nicht um sich zu schonen, reicht
er hier den Schlüssel dem Jungen, statt ihn selbst hinaufzuführen
und ihm dort die Bälle zu übergeben. Aber er kann doch nicht
oben die Bälle zuerst wegschenken und sie dann, wie es voraus-
sichtlich geschehen müßte, dem Jungen gleich wieder nehmen,
indem er sie als Gefolge hinter sich herzieht. »Du verstehst mich
also noch immer nicht?« fragt Blumfeld fast wehmütig, nachdem
er zu einer neuen Erklärung angesetzt, sie aber unter dem leeren
Blick des Jungen gleich wieder abgebrochen hat. Ein solcher lee-
rer Blick macht einen wehrlos. Er könnte einen dazu verführen,
mehr zu sagen als man will, nur damit man diese Leere mit Ver-
stand erfülle.
»Wir werden ihm die Bälle holen«, rufen da die Mädchen. Sie
sind schlau, sie haben erkannt, daß sie die Bälle nur durch irgend-
eine Vermittlung des Jungen erhalten können, daß sie aber auch
noch diese Vermittlung selbst bewerkstelligen müssen. Aus dem
Zimmer des Hausmeisters schlägt eine Uhr und mahnt Blumfeld
zur Eile. »Dann nehmt also den Schlüssel«, sagt Blumfeld, und
der Schlüssel wird ihm mehr aus der Hand gezogen, als daß er
ihn hergibt. Die Sicherheit, mit der er den Schlüssel dem Jun-
gen gegeben hätte, wäre unvergleichlich größer gewesen. »Den
Schlüssel zum Zimmer holt unten von der Frau,« sagt Blumfeld
noch, »und wenn ihr mit den Bällen zurückkommt, müßt ihr bei-
de Schlüssel der Frau geben.« »Ja, ja«, rufen die Mädchen und
laufen die Treppe hinunter. Sie wissen alles, durchaus alles,
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