Blumfeld, ein älterer Junggeselle
und
als sei Blumfeld von der Begriffstutzigkeit des Jungen angesteckt,
versteht er jetzt selbst nicht, wie sie seinen Erklärungen alles so
schnell hatten entnehmen können.
Nun zerren sie schon unten am Rock der Bedienerin, aber
Blumfeld kann, so verlockend es wäre, nicht länger zusehn, wie
sie ihre Aufgabe ausführen werden, und zwar nicht nur weil es
schon spät ist, sondern auch deshalb, weil er nicht zugegen sein
will, wenn die Bälle ins Freie kommen. Er will sogar schon einige
Gassen weit entfernt sein, wenn die Mädchen oben erst die Türe
seines Zimmers öffnen. Er weiß ja gar nicht, wessen er sich von
den Bällen noch versehen kann. Und so tritt er zum zweitenmal
an diesem Morgen ins Freie. Er hat noch gesehen, wie die Be-
dienerin sich gegen die Mädchen förmlich wehrt und der Junge
die krummen Beine rührt, um der Mutter zu Hilfe zu kommen.
Blumfeld begreift es nicht, warum solche Menschen wie die Be-
dienerin auf der Welt gedeihen und sich fortpflanzen.
Während des Weges in die Wäschefabrik, in der Blumfeld an-
gestellt ist, bekommen die Gedanken an die Arbeit allmählich
über alles andere die Oberhand. Er beschleunigt seine Schritte
und trotz der Verzögerung, die der Junge verschuldet hat, ist er
der erste in seinem Bureau. Dieses Bureau ist ein mit Glas ver-
schalter Raum, es enthält einen Schreibtisch für Blumfeld und
zwei Stehpulte für die Blumfeld untergeordneten Praktikanten.
Obwohl diese Stehpulte so klein und schmal sind, als seien sie
für Schulkinder bestimmt, ist es doch in diesem Bureau sehr eng
und die Praktikanten dürfen sich nicht setzen, weil dann für
Blumfelds Sessel kein Platz mehr wäre. So stehen sie den ganzen
Tag an ihre Pulte gedrückt. Das ist für sie gewiß sehr unbequem,
es wird aber dadurch auch Blumfeld erschwert, sie zu beobach-
ten. Oft drängen sie sich eifrig an das Pult, aber nicht etwa um zu
arbeiten, sondern um miteinander zu flüstern oder sogar einzu-
nicken. Blumfeld hat viel Ärger mit ihnen, sie unterstützen ihn
bei weitem nicht genügend in der riesenhaften Arbeit, die ihm
auferlegt ist. Diese Arbeit besteht darin, daß er den gesamten
Waren- und Geldverkehr mit den Heimarbeiterinnen besorgt,
welche von der Fabrik für die Herstellung gewisser feinerer Wa-
ren beschäftigt werden. Um die Größe dieser Arbeit beurteilen
zu können, muß man einen näheren Einblick in die ganzen Ver-
hältnisse haben. Diesen Einblick aber hat, seitdem der unmittel-
bare Vorgesetzte Blumfelds vor einigen Jahren gestorben ist, nie-
mand mehr, deshalb kann auch Blumfeld niemandem die
Berechtigung zu einem Urteil über seine Arbeit zugestehn. Der
Fabrikant, Herr Ottomar zum Beispiel, unterschätzt Blumfelds
Arbeit offensichtlich, er erkennt natürlich die Verdienste an, die
sich Blumfeld in der Fabrik im Laufe der zwanzig Jahre erworben
hat, und er erkennt sie an, nicht nur weil er muß, sondern auch,
weil er Blumfeld als treuen, vertrauenswürdigen Menschen ach-
tet, — aber seine Arbeit unterschätzt er doch, er glaubt nämlich,
sie könne einfacher und deshalb in jeder Hinsicht vorteilhafter
eingerichtet werden, als sie Blumfeld betreibt. Man sagt, und es
ist wohl nicht unglaubwürdig, daß Ottomar nur deshalb sich so
selten in der Abteilung Blumfelds zeige, um sich den Ärger zu
ersparen, den ihm der Anblick der Arbeitsmethoden Blumfelds
verursacht. So verkannt zu werden, ist für Blumfeld gewiß trau-
rig, aber es gibt keine Abhilfe, denn er kann doch Ottomar nicht
zwingen, etwa einen Monat ununterbrochen in Blumfelds Abtei-
lung zu bleiben, die vielfachen Arten der hier zu bewältigenden
Arbeiten zu studieren, seine eigenen angeblich besseren Metho-
den anzuwenden und sich durch den Zusammenbruch der Abtei-
lung, den das notwendig zur Folge hätte, von Blumfelds Recht
überzeugen zu lassen. Deshalb also versieht Blumfeld seine Ar-
beit unbeirrt wie vorher, erschrickt ein wenig, wenn nach langer
Zeit einmal Ottomar erscheint, macht dann im Pflichtgefühl des
Untergeordneten doch einen schwachen Versuch, Ottomar diese
oder jene Einrichtung zu erklären, worauf dieser stumm nickend
mit gesenkten Augen weitergeht, und leidet im übrigen weniger
unter dieser Verkennung als unter dem Gedanken daran, daß,
wenn er einmal von seinem Posten wird abtreten müssen, die
sofortige Folge dessen ein großes, von niemandem aufzulösen-
des Durcheinander sein wird, denn er kennt niemanden in der
Fabrik, der ihn
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