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Blumfeld, ein älterer Junggeselle

Blumfeld, ein älterer Junggeselle

Titel: Blumfeld, ein älterer Junggeselle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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ersetzen und seinen Posten in der Weise überneh-
    men könnte, daß für den Betrieb durch Monate hindurch auch
    nur die schwersten Stockungen vermieden würden. Wenn der
    Chef jemanden unterschätzt, so suchen ihn darin natürlich die
    Angestellten womöglich noch zu übertreffen. Es unterschätzt
    daher jeder Blumfelds Arbeit, niemand hält es für notwendig, zu
    seiner Ausbildung eine Zeitlang in Blumfelds Abteilung zu arbei-
    ten, und wenn neue Angestellte aufgenommen werden, wird
    niemand aus eigenem Antrieb Blumfeld zugeteilt. Infolgedessen
    fehlt es für die Abteilung Blumfelds an Nachwuchs. Es waren
    Wochen des härtesten Kampfes, als Blumfeld, der bis dahin in
    der Abteilung ganz allein, nur von einem Diener unterstützt, al-
    les besorgt hatte, die Beistellung eines Praktikanten forderte. Fast
    jeden Tag erschien Blumfeld im Bureau Ottomars und erklärte
    ihm in ruhiger und ausführlicher Weise, warum ein Praktikant in
    dieser Abteilung notwendig sei. Er sei nicht etwa deshalb not-
    wendig, weil Blumfeld sich schonen wolle, Blumfeld wolle sich
    nicht schonen, er arbeite seinen überreichlichen Teil und geden-
    ke damit nicht aufzuhören, aber Herr Ottomar möge nur überle-
    gen, wie sich das Geschäft im Laufe der Zeit entwickelt habe,
    alle Abteilungen seien entsprechend vergrößert worden, nur
    Blumfelds Abteilung werde immer vergessen. Und wie sei gerade
    dort die Arbeit angewachsen! Als Blumfeld eintrat, an diese
    Zeiten könne sich Herr Ottomar gewiß nicht mehr erinnern, hat-
    te man dort mit etwa zehn Näherinnen zu tun, heute schwankt
    ihre Zahl zwischen fünfzig und sechzig. Eine solche Arbeit ver-
    langt Kräfte, Blumfeld könne dafür bürgen, daß er sich vollstän-
    dig für die Arbeit verbrauche, dafür aber, daß er sie vollständig
    bewältigen werde, könne er von jetzt ab nicht mehr bürgen. Nun
    lehnte ja Herr Ottomar niemals Blumfelds Ansuchen geradezu
    ab, das konnte er einem alten Beamten gegenüber nicht tun, aber
    die Art, wie er kaum zuhörte, über den bittenden Blumfeld hin-
    weg mit andern Leuten sprach, halbe Zusagen machte, in einigen
    Tagen alles wieder vergessen hatte, — diese Art war recht belei-
    digend. Nicht eigentlich für Blumfeld, Blumfeld ist kein Phantast,
    so schön Ehre und Anerkennung ist, Blumfeld kann sie entbeh-
    ren, er wird trotz allem auf seiner Stelle ausharren, so lange es
    irgendwie geht, jedenfalls ist er im Recht, und Recht muß sich
    schließlich, wenn es auch manchmal lange dauert, Anerkennung
    verschaffen. So hat ja auch tatsächlich Blumfeld sogar zwei Prak-
    tikanten schließlich bekommen, was für Praktikanten allerdings.
    Man hätte glauben, können, Ottomar habe eingesehn, er könne
    seine Mißachtung der Abteilung noch deutlicher als durch Ver-
    weigerung von Praktikanten durch Gewährung dieser Praktikan-
    ten zeigen. Es war sogar möglich, daß Ottomar nur deshalb Blum-
    feld so lange vertröstet hatte, weil er zwei solche Praktikanten
    gesucht und sie, was begreiflich war, so lange nicht hatte finden
    können. Und beklagen konnte sich jetzt Blumfeld nicht, die Ant-
    wort war ja vorauszusehn, er hatte doch zwei Praktikanten be-
    kommen, während er nur einen verlangt hatte; so geschickt war
    alles von Ottomar eingeleitet. Natürlich beklagte sich Blumfeld
    doch, aber nur weil ihn förmlich seine Notlage dazu drängte,
    nicht weil er jetzt noch Abhilfe erhoffte. Er beklagte sich auch
    nicht nachdrücklich, sondern nur nebenbei, wenn sich eine pas-
    sende Gelegenheit ergab. Trotzdem verbreitete sich bald unter
    den übelwollenden Kollegen das Gerücht, jemand habe Ottomar
    gefragt, ob es denn möglich sei, daß sich Blumfeld, der doch jetzt
    eine so außerordentliche Beihilfe bekommen habe, noch immer
    beklage. Darauf habe Ottomar geantwortet, es sei richtig, Blum-
    feld beklage sich noch immer, aber mit Recht. Er, Ottomar, habe
    es endlich eingesehn und er beabsichtige Blumfeld nach und nach
    für jede Näherin einen Praktikanten, also im Ganzen etwa sech-
    zig zuzuteilen. Sollten aber diese noch nicht genügen, werde er
    noch mehr hinschicken und er werde damit nicht früher aufhö-
    ren, bis das Tollhaus vollkommen sei, welches in der Abteilung
    Blumfelds schon seit Jahren sich entwickle. Nun war allerdings
    in dieser Bemerkung die Redeweise Ottomars gut nachgeahmt,
    er selbst aber, daran zweifelte Blumfeld nicht, war weit davon
    entfernt, sich jemals auch nur in ähnlicher Weise über Blumfeld
    zu äußern. Das Ganze war eine Erfindung

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