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Blut & Barolo

Titel: Blut & Barolo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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riesigen Zähnen zermalmen.«
    »Das halte ich für sehr unwahrscheinlich.«
    »Wir glauben dir nicht«, sagte Donald und stellte sich schützend vor seine Schwester. »Wir gehen jetzt sofort zurück. Dagobert hätte dich niemals gebeten, auf uns aufzupassen. Wir kennen dich doch noch gar nicht richtig. Du hast uns sicher angelogen!«
    Giacomo antwortete darauf nicht. Die Stille war unangenehm, wollte gefüllt werden. Er hielt dem Druck des Schweigens stand – und wusste auch, wer das nicht konnte.
    »Alle Proben hat Giacomo bestanden«, sagte Daisy. »Besser als jeder andere. Damit ist er einer von uns. Außerdem ist er viel erfahrener als wir. Ich kann Dagobert verstehen.«
    »Aber Giacomo kennt Turin doch überhaupt nicht!«
    Da hatte Donald recht. Aber für solche Momente gab es eine altbekannte Erziehungsmethode: sich einen feuchten Kehricht drum scheren.
    »Macht doch, was ihr wollt. Ich geh jetzt zum Conte, wie Dagobert es wollte.«
    Sie ließen ihn ziehen – und folgten dann mürrisch. »Abhauen können wir immer noch«, sagte Daisy zu ihrem Bruder.
    Doch Giacomo wusste, dass sie dies nicht tun würden. Es war eine schöne kleine Lüge. Weit besser als seine große, unausstehliche.
    Es war noch zu früh für Touristen, und so lag das Innere des Borgo völlig verlassen da, als sie eintraten und auf die schwarze Holztür im Schlosshügel zuhielten.
    Giacomo wusste nicht, ob dies ein guter Plan war. Aber ihm fiel kein besserer ein. Solange er den Mörder Dagoberts nicht gefunden hatte, waren die beiden in Gefahr. Und obwohl er ihre Hilfe in dieser Stadt brauchte, würde er sie nicht in Anspruch nehmen.
    Er stieß die Tür mit der Schnauze auf. Das Morgenlicht brach nur langsam in den rümpeligen Raum. Auf seine Begleiter mochte all dies ehrfurchtgebietend wirken, doch seit Giacomo den Conte gesehen hatte, fand er alles etwas ... überdimensioniert.
    Maria Grazia erschien – und plötzlich kauerten zwei Lagotto-Mischlinge hinter Giacomo.
    »Du bringst wieder keine Gaben für den Conte Rosso?«, fragte die schwere Bloodhound-Hündin. »Stattdessen neue Besucher, die Lagottos von der Mole. Doch einer fehlt.« Sie stellte die Ohren auf.
    »Sie brauchen einen Unterschlupf, so hat Dagobert – das ist der Name des Dritten im Bunde – es mir aufgetragen. Ist in einem der Häuser des Borgo noch Platz?«
    »Der Conte wird dafür etwas von dir verlangen.«
    »Ihr seid aufgenommen«, sagte Giacomo. »Ich muss weg.«
    »Wo willst du hin?« In Daisys Stimme lag nicht nur Angst, sondern auch Sorge.
    Es war, befand Giacomo, Zeit für eine weitere Lüge. »Ihr erinnert euch noch an das Windspiel?«
    »Das du gebissen hast?«, fragte Daisy. Ihr Bruder verzog sich mit eingeklemmter Rute schleichenden Schrittes in die von Maria Grazia am weitesten entfernte Ecke.
    »Die Sache mit dem Obststand tut ihm schrecklich leid, er hat sich entschuldigt. Wisst ihr, der Kleine kommt nicht von hier und hat in Turin seinen Menschen verloren. Ich hab versprochen, ihm zu helfen. Er stammt aus derselben Gegend wie ich. Da muss man doch zusammenhalten.«
    »Du lässt uns hier wirklich allein?« Daisy traf den neuralgischen Punkt erstaunlich schnell.
    »Nur kurz.«
    »Du wirst seinen Menschen niemals so einfach in der Stadt finden.«
    »Der Windhund weiß schon, wo er, also sie ist. Braucht nur ein bisschen Hilfe. Und jetzt Schluss mit dem ganzen Gerede!« Langsam gingen ihm die Widerworte erheblich auf den Geist. Welpen wurden fest im Nacken angepackt, wenn sie sich ungehörig benahmen. Doch für so etwas waren die Hündinnen zuständig, als Rüde machte man sich aus dem Staub, wenn die Arbeit begann. Und dem Welpenalter waren Daisy und Donald sowieso lange entwachsen.
    »Heute Abend bin ich wieder da.«
    Noch so eine Lüge. Doch sie wären hier gut aufgehoben. Der Conte Rosso sorgte sicherlich für die Seinen. Als Giacomo dessen Audienzraum brummend verließ, sah ihn Daisy wieder so merkwürdig an. Es stach ihn mitten ins Herz, obwohl es doch eigentlich längst hart wie Leder sein musste. Das sagte er sich zumindest immer. Es war schön, wieder etwas zu spüren. Daisys Worte taten ihm gut, so unglaublich gut.
    Nachdem er die Holztür von außen zugedrückt hatte, blieb er noch einige Zeit in der Kälte stehen. Ein Teil von ihm wollte zurückgehen und die Wahrheit über ihnen ausschütten wie einen Eimer kaltes Wasser. All diese Lügen gefielen ihm überhaupt nicht. Fing man mit einer an, folgten unweigerlich weitere. Sie bekamen schneller

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