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Blut & Barolo

Titel: Blut & Barolo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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weiter hinein in das Gebäude. Bis ihn zwei Hände packten und wortlos hinauswarfen.
    Doch der kurze Moment im Inneren des imposanten Baus hatte ausgereicht.
    Niccolò hatte etwas bemerkt.
    Dort drinnen roch es nach totem Tier.
     
    Verstört folgten die beiden Lagotto-Mischlinge Giacomo zum Borgo Medievale. Viel hatte er ihnen nicht erzählt, nur dass Dagobert ihm gesagt habe, ihr Versteck sei nicht länger sicher. Und dass sie sich Giacomo anvertrauen sollten, solange er fort wäre. Wohin ihr Bruder wollte und wann er zurückkehren würde, konnte Giacomo ihnen nicht sagen.
    Der alte Trüffelhund las die Unsicherheit in ihren Blicken, und doch wusste er nicht, welche Lügen Besseres leisten konnten. Wie gern hätte er jetzt den Spürer an seiner Seite gewusst, den legendären blinden Border Collie, der die Gabe besaß, mit den Toten zu sprechen. Er hättedas Rätsel um Dagoberts Tod lösen können und dessen Geschwistern die Möglichkeit gegeben, sich zu verabschieden. Ein seltenes Privileg. Doch der Spürer weilte in Alba. Zwar lockte ihn Blut ebenso stark an wie Schmeißfliegen, doch Dagoberts war viel zu weit von der Trüffelstadt entfernt vergossen worden.
    Der Zugang zum Rosengarten des Parco del Valentino war wegen Umbaumaßnahmen geschlossen, so dass sie einen Umweg über die breite, sich am Ufer des Po entlang- schlängelnde Viale Enrico Millo nehmen mussten, um zum Borgo zu gelangen. Ein paar Jogger drehten ihre Runden, rhythmisch Atemwölkchen in den Park stoßend, zwei alte Männer gingen schweigend am Ufer entlang, die Mützen tief in die Stirn gezogen, dicke Zigarren in ihren Händen, und auch Hunde waren mit ihren Menschen unterwegs, doch merkwürdigerweise durfte keiner frei herumstrolchen, sie gingen alle an der Leine, die fast immer kurz gehalten wurde. Giacomo meinte gar, zwei Würgehalsbänder zu erkennen. Diese Ketten verengten sich beim Ziehen des Hundes. Eine schreckliche Tierquälerei, die auf den empfindlichen Nacken drückte.
    Auch die ständig vor sich hin murmelnde alte Frau war wieder da, alle Hunde machten einen Bogen um sie, selbst wenn sich dadurch ihr Halsband enger zog. Was hatte es nur mit ihr auf sich? Eigentlich sah sie ganz harmlos aus und duftete gut nach Schokolade.
    Daisy hatte keine Augen für das Leben im Park, immer wieder drehte sich die schlanke Lagotto-Hündin sehnsüchtig zur Mole um. So als wäre ihr dreckiger Hinterhof dort der Himmel auf Erden.
    »Warum hat Dagobert uns das nicht alles selber gesagt?« Es war das erste Mal, dass Donald etwas fragte, seit sie den Unterschlupf verlassen hatten. »Mir gefällt das alles nicht. Ich kann es nicht leiden, wenn sich etwas verändert.« SeinKopf sank herunter. »Warum ist Dagobert bloß alleine losgezogen? Hält er uns für so unnütz?«
    Warum konnten junge Hunde nicht einfach die Lügen glauben, die man ihnen auftischte?
    »Er wird sicher wissen, was er tut«, sagte Giacomo. »Du hast uns nicht alles erzählt!« Daisy klang wütend. »Ich mache genau, was Dagobert gewollt hätte ... hat.«
    Sie bemerkten den Versprecher nicht, gingen nur näher beieinander als zuvor.
    Ob Dagobert jetzt wohl im Himmel war? Er hätte es verdient, an einem besseren Platz zu sein. Ohne seine Führungsstärke wären die anderen beiden längst im Tierheim gelandet.
    Der Himmel über dem Borgo war wieder wolkenlos – doch Dagobert nicht darin zu sehen. Giacomo hatte nichts anderes erwartet. Er glaubte nur, was er berühren, sehen, hören und vor allem schmecken konnte. Und doch hatte er hochgeschaut. Zur Sicherheit. Wenn es wirklich einen Gott gab, dann steckte er in all den wunderbaren Speisen, die seine Schöpfung hervorbrachte. Bei manch großartigem Schluck Wein hatte den alten Trüffelhund das Gefühl überkommen, aus dieser Welt herauszutreten und in einer besseren zu verweilen, in der es weder Schmerz noch Elend gab. Und eine reife weiße Trüffel ließ ihn sich fühlen wie taufeuchtes Moos an den Wurzeln eines großen Baums, erfüllt von einer unbändigen Lust, sich im würzigen Waldboden fortzupflanzen, als sei er die Essenz des Lebens selbst.
    Barolo und Trüffel waren seine Götter, und Giacomo konnte sich keine anbetungswürdigeren vorstellen.
    »Da ist der Eingang zum Borgo«, sagte Daisy. »Aber was ist mit dem Conte? Er will niemanden um sich haben.«
    »Lass mich nur machen«, erwiderte Giacomo.
    »Ich geh da nicht rein.« Die Hündin scheute zurück. »Ersoll Hunden das Herz herausreißen und es vor ihren Augen mit seinen

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