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Blut & Barolo

Titel: Blut & Barolo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Gefühl, noch irgendetwas vergessen zu haben. Was war es nur? Ach ja. »Für Amadeus! Für das Sindone!«
    Der Trupp bemühte sich so sehr, keinen Laut zu verursachen, dass die Luft vor Anspannung knisterte – und nach Angst stank. Tommaso schätzte diesen Geruch. In einem Rausch von Testosteron betrat er die niedrige Halle, das Machtzentrum der Dachshunde. Das Wasser zweier Kanäle floss hier geradezu friedlich zusammen, und die Insel aus feuchtem Asphalt wurde vom Licht aus der Höhe wie ein Alpengipfel beschienen. Niemand war zu sehen. Nur der Kleine Stinker saß auf der Spitze seines Müllbergs. Geradezu niedlich sah er aus – das konnten sie verdammt gut, diese wurstigen Biester. Interessiert blickte der Dachshund herab.
    »Tommaso, nicht wahr? Was führt dich und deine Freunde zu mir?«
    »Du bist gewarnt worden!«
    »Nein. Uns warnt niemand. Aber wir sind überall unter der Stadt – und unsere Ohren sind stets aufmerksam. Ich wusste, dass du mich besuchen würdest.«
    Tommaso legte den Kopf verständnislos zur Seite.
    Der Anführer der Dachshunde blickte offen und freundlich zu ihm herunter. Keine Spur von Angst. »Wovor soll uns denn jemand gewarnt haben, guter Tommaso?«
    »Ich kriege euch alle, verlass dich drauf!«
    »Aber sicher. Du kennst dich in der Unterwelt ja auch aus. Viel besser als wir.«
    Tommaso erinnerte sich daran, dass er vordergründig nicht wegen eines Gemetzels, sondern wegen einer Bitte hier war. »Amadeus, der Wächter des Sindone, schickt Tommaso. Du sollst uns helfen, das heilige Tuch wiederzufinden, und ... «, er kramte in seiner Erinnerung, einem alten Schuppen mit rostigen Gerätschaften, »... dadurch Turin vor dem Untergang bewahren. Wirst du das tun?«
    »Deshalb besetzen deine Schergen alle Ausgänge? Weil du mich um einen Gefallen bitten willst?«
    »Tommaso hat dir eine Frage gestellt!«
    Der Dachshund hob die Stimme nur leicht – doch die Wirkung war bedrohlich. »Du bist hier unten nur Gast. Erst werden meine Fragen beantwortet!«
    »Tommaso ist in der Überzahl. Du kannst nicht fliehen! Sag ja, oder du wirst vernichtet. Du und die Deinen!«
    Die Bulldogge sondierte die Gänge. Ob die Meute des Kleinen Stinkers nur darauf wartete zuzuschlagen? Würden sie aus dem Wasser emporschießen?
    »Ich sage etwas.«
    »Ja?« In Tommasos Stimme schwang Enttäuschung mit. Er hatte auf den Geschmack von warmem Blut gehofft, bevor der Kleine Stinker einknickte, auf durchtrennte Sehnen und gebrochene Knochen. Eigentlich hatte er gedacht, die sturen Burschen würden niemals einwilligen. Doch sein Ruf eilte ihm anscheinend voraus. Mit Tommaso wollte sich niemand anlegen.
    »Fluten« , rief der Kleine Stinker. Nicht einmal besonders laut, jedoch in den richtigen der dunklen Kanäle. »Verdammich, ja!« , schallte es zurück.
    »Was soll das?«, rief Tommaso. »Was fluten?«
    »Ach, versteht der bärenstarke Tommaso nicht? Den Damm fluten. «
    »Warum?«
    »Lass mich nachdenken, es kommt gleich.«
    Ein Gurgeln ertönte, dann ein Brodeln, wie es Tommasos Magen nach einem schimmligen Stück Peperonipizza von sich gab, bevor alles heraussprotzelte. Auch hier, das wurde Tommaso nun schrecklich bewusst, war mit einem Sprotzeln zu rechnen. Allerdings einem bedeutend lauteren.
    »Nur noch einen kurzen Moment« , sagte der Kleine Stinker fröhlich. Der Boden erbebte, die Wände erzitterten, Lärm drang wie heißes Öl in Tommasos Ohren.
    »Ich will euch doch angemessen begrüßen« , rief der Kleine Stinker. »Also: Herzlich willkommen in den Fluten der Unterwelt. Ihr großen, kräftigen und unfassbar dummen Tölen!«
    Tommaso sah das Wasser wie eine Wand auf sich zuschießen. So viel Schaum hatte sich in der Krone der Welle gebildet, dass sie wie eine Schneelawine aussah. Sie klang nicht mehr wie Wasser, sie rumpelte, als schrammten Geröllbrocken über die Kanäle. Schon war sie in der Halle. Die Wasserwand riss die im Gang vor ihr postierten Hunde mit sich wie Pappkameraden.
    Es blieb Tommaso keine Zeit mehr, etwas zu rufen, die Luft anzuhalten oder durch einen der Gänge zu fliehen. Das Wasser schlug wie eine riesenhafte Hand zu, die Finger in jeden der Kanäle spreizend, alles unter sich begrabend.
    Fast alles.
    Der Kleine Stinker saß in der Kuhle einer dicken Styroporplatte, die früher die Rückwand eines Großbildfernsehers geschützt hatte. Er bewegte sich nur wenig, um dieses weiße Floß zu steuern. Auf den schäumenden Massen trieb es schlingernd und doch mit festem Ziel, dem Wasser

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