Blut & Barolo
Kehlen.«
»Die Tölen tret ich alle platt«, rief der Kantige. »Schaut auf mich, ihr überbezahlten Luschen von Juve!« Dann trat er zu, so als wäre der knurrende Beagle vor ihm ein Fußball, den es ins Tor zu befördern galt. Der Leibwächter krümmte sich und zog die Beine an wie ein verendendes Insekt. Sein letztes Wimmern wurde übertönt vom Johlen des Mörders. »Zwei weg, drei fehlen noch.«
Jetzt gab es kein Halten mehr für die Hunde. Doch alles, was sie erwischten, waren Schuhe und Knöchel. Der Alkohol musste den Menschen jegliche Hemmung geraubt haben.
Nur das Skelett zog sich zurück und holte ein Stofftaschentuch aus seiner Sakkotasche, mit dem es sich penibel über die Finger strich. Dann zündete es sich eine Zigarette an. Seine beiden Begleiter überboten sich beim Treten der Hunde. Sie zeigten Hackentricks und Doppelpässe. Auch als ihre Spielgeräte sich längst nicht mehr rührten. Amadeus kauerte in einer Ecke. Erst zum Ende des tödlichen Spiels zog ihn der wulstige Mann am Nacken hervor und hielt ihn für den Schachtelförmigen in Position. Der Fuß traf ihn am Brustkorb. Es krachte, als sein Körper den eisverkrusteten Schnee durchbrach. Der Atem drang keuchend aus seinem Hals, wie braunes Wasser aus einem rostigen Rohr. Kaumsichtbar hob und senkte sich sein Bauch. Die Nacht ließ sein Fell leblos erscheinen.
Zufrieden ging der Treter zu dem Mann mit den Salami- armen und jagte seinen Fuß in dessen Hintern.
»Was soll das?«
Der Eckige legte den Arm um ihn. »Jetzt trinken wir noch einen bei mir.«
»Ist ja auch keiner mehr bei dir zu Hause, den es stören würde.«
Dafür erhielt er einen Klaps auf den Rücken, der ihn fast auf das Straßenpflaster schickte. Er lachte nur darüber.
Amadeus hörte, wie sich ihre Schritte von der Porta Palatina entfernten. Er hatte Glück gehabt. Die Kraft hatte den Mann nach den vielen schweren Tritten etwas verlassen.
Mit einem Ruck hob Amadeus seine Pfoten. Das schmerzte, denn sie waren durch das Blut bereits am Eis festgefroren. »Kommt«, sagte er zu seinen Leibwächtern, doch keine der zerschmetterten Leichen antwortete. »Wir gehen in die Porta Nuova. Da sind wir sicher.«
Der große Turiner Bahnhof wurde seit Monaten umgebaut. Offiziell zumindest. Doch in Wirklichkeit passierte seit Ewigkeiten nichts mehr. Der hintere Teil war abgesperrt, niemand würde sie dort finden. Er war windgeschützt und kein Regen drang hinein. Ruhig war es dort auch. Und es gab keine Menschen.
Doch der Bahnhof lag weit entfernt vom Duomo. Es fühlte sich an wie ein Abschied für immer.
Als sich Amadeus durch die Menge der Schaulustigen schleppte, wandten sich alle von ihm ab. Nur einer, der spuckte ihn noch an.
Es war wie Regen auf dem Fell.
Giacomo konnte gar nicht ausdrücken, wie gut ihm das Verschwinden von Beton und Mauern gefiel, um wie vielköstlicher die Luft außerhalb Turins schmeckte. Als würde dieser Gott sie hier freigiebiger mit Aromen von Gräsern, Kräutern, Blättern und Nadeln würzen. Wenn es diesen Burschen gab, der für das Paradies der Menschen zuständig war, dann lebte er sicher in den Wäldern und Wiesen. Der Regen hatte Löcher in den Schnee gebohrt und die Trüffel sandten ihre Reize wieder hinaus in die Welt. Der kleine Niccolò bekam nichts davon mit. Er schnüffelte auf dem Weg hinaus zum Palazzo Stupinigi noch nicht einmal an den Mülleimern, Briefkästen und Laternen, die von Artgenossen markiert worden waren.
»Du denkst an Canini, oder?«
»Was?«
»Tu nicht so. Sie stand kurz davor, heiß zu werden. Als alter Rüde merkt man das. Ich kann dich gut verstehen.«
»Du weißt gar nichts.« Niccolò rannte vor. Außer Hörweite.
»Da hat er wohl recht«, sagte Giacomo seufzend zu sich selbst und trottete hinterher. »Was weiß ich schon? Zum Beispiel nicht, ob es wirklich einen Gott gibt oder einen Himmel.« Er ging wieder ein Stück. »Ich weiß auch nicht, was das Tuch in dem hohlen Baum zu suchen hatte und warum Dagobert ermordet wurde.« Giacomo kam an einer Trattoria vorbei, leider waren die grünen Fensterläden geschlossen. »Aber immerhin weiß ich, was mir schmeckt. Das ist doch schon mal was! Ich glaube, ich habe Hunger.«
Aber er wusste, dass es jetzt nichts geben würde.
Der Weg zum Schloss Stupinigi war eigentlich nicht lang. Sie hätten nur dem Corso Unione Sovietica folgen müssen, der später zur Viale Torino wurde. Doch zu viele Autos rollten über die große mehrspurige Straße, deshalb orientierten
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